Tel Aviv und Jerusalem bei Nacht Die Trommler und die After-Party
Im Ramadan, im Fastenmonat der Muslime, zieht um vier Uhr morgens der Weckrufer durch die Straßen Alt-Jerusalems. Um die gleiche Zeit zieht eine Wagenkolonne Jugendlicher aus Tel Aviv nach Jerusalem - zur After-Party.
Wir befinden uns im Ramadan, im Fastenmonat der Muslime. Vier Uhr morgens. Mit seinen Söhnen zieht Taher durch das Damaskus-Tor in die Altstadt von Jerusalem. Taher ist Weckrufer. Seit dreißig Jahren versieht er diesen Ehrendienst. Noch vor Sonnenaufgang müssen die Muslime gegessen haben, dann beginnt das Fasten.
„Ihr, die ihr schon wach seid, weckt diejenigen, die noch schlafen, und sagt: ‚Es gibt keinen Gott außer Allah.‘“ Es ist eine alte Tradition im Ramadan, die Gläubigen mit Pauken und Zimbeln zu wecken. Mit diesem Dienst erwirbt sich Taher einen Lohn fürs Jenseits, sagt er. Und die Gläubigen werden schon vor dem Ruf des Muezzin durch ihn an das Morgengebet erinnert.
Ein reichliches Frühstück, bis zum Abend darf nichts mehr gegessen und getrunken werden, auch keine Zigarette geraucht. Wenn der Ramadan in den Sommer fällt, dann ist das Fasten besonders schwer. Dann dauern die Tage länger, dann ist die Hitze in Jerusalem unerträglich.
Von der Moschee ruft jetzt der Muezzin zum Gebet. Taher hat seinen Dienst beendet. Im Koran steht, wenn es hell genug ist, um einen weißen Faden von einem schwarzen Faden zu unterscheiden, beginnt das Fasten bis Sonnenuntergang.
Die After-Party verkehrt die Welt
Um halb sechs verlassen die Letzten das Allenby 58. Sie aber haben immer noch nicht genug von Trance und House. Den ultimativen Kick suchen sie jetzt auf der After Party. Ganze Kolonnen pilgern nach Jerusalem. Die Ersten stehen schon Schlange. Doch erst um sieben Uhr ist Einlass.
Hier schert sich keiner um den Sabat oder den Ruf der Heiligen Stadt, die Disco liegt in einem Industriegebiet. Kurz zuvor wurde die Nachtfete beendet, die letzten Gäste hinausgejagt. Jetzt macht die Putzkolonne alles fertig für die After Party.
Manche betteln regelrecht um Einlass. Die Auswahl ist unerbittlich, möglichst schräg muss das Outfit sein, oder man muss den Türsteher persönlich kennen, sonst war die Fahrt von Tel Aviv nach Jerusalem umsonst. Auch Michal ist wieder fit.
Zwölf Stunden wird die After Party dauern. Sonnenbrillen schützen die aufgerissenen Pupillen. Nur mit Drogen lässt sich so ein Wochenende überhaupt durchstehen. „So eine After Party wirst du nirgends auf der Welt finden“, schwärmen sie, „nicht in New York oder in Paris.“
Es ist die Mischung des Publikums und dessen Drang nach Freiheit. Sie wollen jedes Tabu brechen, jede Schwelle überschreiten, die Fesseln sprengen. Verkehrte Welt: Tel Aviv, das sich rühmt, die Stadt ohne Pause zu sein, ruht sich aus, und in Jerusalem geht die wildeste Fete ab.