ESA-Direktor im Interview "Alle Missionen werden geprüft"
Welche Auswirkungen hat das Columbia-Unglück auf die europäsiche Raumfahrt und auf die Arbeit auf der internationalen Raumstation (ISS)? tagesschau.de sprach mit dem Direktor für bemannte Raufahrt bei der ESA (European Space Agency), Jörg Feustel-Büechl.
tagesschau.de: Welche Auswirkungen sind für die Internationale Raumstation (ISS) zu erwarten?
Feustel-Büechl: Ich gehe davon aus, dass die Shuttle schnellstmöglich wieder fliegen. Bis dahin können wir die ISS mit den russischen Geräten in Betrieb halten und dort weiter arbeiten. Wir schicken im April einen Astronauten mit einer Sojus-Kapsel zur ISS. Im Juli planen wir, einen unserer Astronauten mit einem Shuttle ins All zu schicken.
tagesschau.de: Gehen Sie nicht davon aus, dass diese zweite Mission im Juli gefährdet ist?
Feustel-Büechl: Alle Missionen werden im Moment natürlich geprüft. Man kann nicht genau sagen, ob sie zum geplanten Zeitpunkt stattfinden. Ich bin ziemlich sicher, dass die Juli-Mission, die ja ein Shuttle benötigt, verschoben werden wird. Es sei denn, der Fehler lässt sich ganz schnell und ganz präzise beheben, aber davon gehe ich eigentlich nicht aus.
tagesschau.de: Befürchten Sie negative wirtschaftliche Folgen?
Feustel-Büechl: Ich bin sicher, dass das Unglück auf der US-Seite finanzielle Auswirkungen hat. Wir werden uns hier in Europa in Ruhe ansehen, wie der Zeitplan aussieht, nachdem die notwendigen Korrekturen gemacht worden sind. Wir werden alles tun, damit wir innerhalb unserer Budgets bleiben. Wenn sich die Flüge nicht allzusehr verschieben, sollten wir das auch auffangen können.
tagesschau.de: Der Direktor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) schätzt die Verluste auf deutscher Seite auf 250 Millionen Euro, sollten sich die Planungen ein Jahr verzögern.
Feustel-Büechl: Das kann ich nicht kommentieren. Ich gehe davon aus, dass wir sowohl unseren Zeitplan als auch unseren Kostenrahmen halten können. Spekulationen, dass das alles mehr kostet, sind zu diesem Zeitpunkt aus der Luft gegriffen.
tagesschau.de: Woran arbeiten Sie gerade in Zusammenhang mit der ISS?
Feustel-Büechl: Zum einen stellen wir das europäsiche Labor "Columbus" fertig. Das befindet sich zur Zeit in der Endmontage und wird aller Voraussicht nach im Frühjahr nächsten Jahres fertig sein. Es soll am 7. Oktober 2004 zur ISS fliegen. Zweitens entwickeln wir eine Oberstufe für die Ariane 5. Die soll die Versorgung der Station mit sicherstellen. Diese Oberstufe mit ca. 9 Tonnen Nutzlast soll auf der Ariane 5 das erste Mal am 27 September 2004 zur Station fliegen.
tagesschau.de: Ist die Shuttle-Technologie aus Ihrer Sicht noch zeitgemäß?
Feustel-Büechl: Das Shuttle ist das einzige Großgerät, das in die Umlaufbahn und wieder zurück fliegen kann. Ich bin überzeugt, dass man heute kaum eine bessere Technologie hat. Es ist zwar schon in den 60er Jahren entwickelt worden, aber die Amerikaner haben es immer wieder mit neuer Technologie modernisiert. Es ist klar, dass ein Shuttle-Flug immer Risiken birgt. Diese Risiken sind den Astronauten, die das Shuttle fliegen, bekannt.
Das Interview führte Sabine Klein, tagesschau.de