Gerstensaft wird beliebter Bier kontra Wodka: Die Brauerei von Tschita
Von Karla Engelhard, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Victor Baranow ist noch keine 40. Er hat ein Jungengesicht und einen beachtlichen Bierbauch. Der ist berufsbedingt: Er habe ein Hobby, räumt er ein: "Immer wenn ich in einer fremden Stadt bin, probiere ich das lokale Bier dort, um herauszubekommen, ob es besser ist als unseres." Seit 10 Jahren arbeitet Victor Baranow in der Bierbrauerei von Tschita im russischen Fernen Osten - vor kurzem wurde er stellvertretender Direktor. 13 Sorten Bier werden hier gebraut, mit Namen wie "Quelle" oder "Drei Recken".
Defizit wie in alten Zeiten
Das Bier sei in diesem Jahr so populär, dass man in Tschita und Umgebung Schlange stehe wie zu Sowjetzeiten, meint Baranow. Es herrsche fast Mangel, freut er sich. Die Schlangen zeigten, dass das Bier gut sei. Sein Unternehmen versuche, die Preise niedrig und konkurrenzfähig zu halten."
50 Flaschen rollen pro Minute vom Band. Der Renner ist die Eineinhalblliter-Bierflasche aus Plastik. Wie Luftballons werden die Flaschen aus Plaste-Rohlingen aufgeblasen und sofort mit Bier gefüllt. Im Laden kostet eine umgerechnet zwischen 90 Cent und einem Euro dreißig. Russische Bierkästen gibt es nicht. Gekauft wird meist in Paletten mit je zwölf Flaschen - das macht: 18 Liter Bier.
Nur beste Zutaten
Der pro Kopf Verbrauch in Russland liegt derzeit bei 40 Liter – die Deutschen trinken dreimal soviel im Jahr. Doch Bier ist im Wodkaland zwischen Moskau und Wladiwostock im Kommen. Immerhin hat sich der russische Bierkonsum in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Das deutsche Reinheitsgebot interessiert russische Brauer zwar nicht. Manch neugieriger Biergenießer entdeckt Mais oder Reis als Zutaten auf den Etiketten. Nicht so in Tschita. Stolz erklärt Victor Baranow: "Unsere Brauerei haben wir komplett aus Deutschland, auch unser Labor. Den Hopfen kaufen wir im Ausland, Malz ist vaterländische Produktion."
Klares Wasser, reines Bier
Das Rezept ist ein Geheimnis. Das Wasser kommt aus etwa dreißig Quellen rund um Tschita. Die gleichen Quellen liefern auch das Mineralwasser " Tschitinskije Kljutschi" - "Tschitauer Quelle". Mitte der 80er Jahre bekam dieses Wasser eine Goldmedaille auf der Getränkemesse in Köln. Eine gute Grundlage für ein gutes Bier, meint Victor. Die russische Bierindustrie habe sich gut entwickelt. Es gebe gute russische Biere - obwohl das deutsche natürlich besser sei.
Schwierige Überzeugungsarbeit
Im fabrikeigenen Bierkeller, einem ehemaligen Luftschutzkeller aus sowjetisch-chinesischen Konfrontationszeiten, kann Bier verkostet werden. Die Bierkarte ist ebenso lang wie die Wodkakarte. Doch trotz wachsender Bierliebe - ein Russe auf der Straße ist sich sicher: "Bier ohne Wodka - das ist rausgeschmissenes Geld."