EU-Russland-Gipfel Merkel will offene Aussprache mit Putin
Miteinander statt übereinander reden: Kanzlerin Merkel will bei dem Gipfel in Samara zunächst einmal Spannungen mit dem russischen Präsidenten Putin abbauen. Die EU-Ratspräsidentin warnte angesichts der vielen Streitfragen vor allzu großen Erwartungen an den Gipfel. Ergebnisse wird es wohl nicht geben.
Von Michael Becker, MDR, Hörfunkstudio Brüssel, z.Zt. Samara
Gestern Abend war zunächst Gelegenheit sich ein bisschen auszusprechen und zu entspannen - bei einem gemeinsamen Abendessen und dann bei einem Konzert, abgeschieden in Wolschskij Utjos, einem Erholungszentrum in der Wolga-Schweiz, rund 80 Kilometer entfernt von Samara.
Ein bisschen Entspannung ist tatsächlich das, was beiden Seiten zur Zeit sehr gut tun würde. Von einem regelrechten Krisengipfel war im Vorfeld die Rede, denn es kriselt ordentlich in den Beziehungen zwischen Russland und der EU. Bundeskanzlerin Merkel kommt vor allem mit der Absicht, die Luft heraus zu lassen aus den Aufregungen der vergangenen Wochen: "Es ist immer besser, man spricht miteinander als man spricht übereinander", meinte Merkel gestern bei ihrer Ankunft in Samara.
Differenzen mit den neuen EU-Ländern Osteuropas
Vor allem zwischen Moskau und den neuen EU-Ländern in Osteuropa gibt es erhebliche Probleme. Zwischen Estland und Russland herrscht regelrecht Eiszeit: Die Regierung in Tallinn hatte ein sowjetisches Kriegerdenkmal aus dem Zentrum vor die Tore der Stadt verbannt und damit den Kreml heftig provoziert. Aber auch Polen und Russland schenken sich nichts: Moskau läuft Sturm gegen Pläne der Amerikaner, in Polen Abwehrraketen zu stationieren. Und schon seit anderthalb Jahren lässt Russland kein polnisches Fleisch mehr ins Land. Die polnische Aussenministerin legte erst gestern noch nach und nannte das russische Fleischimportverbot eine "Kriegserklärung".
Nicht mehr als ein paar freundliche Gesten?
Man macht sich gegenseitig das Leben schwer und Merkel will als EU-Vorsitzende die erhitzten Gemüter wieder etwas abkühlen. "Das wird ein schwieriger Gipfel", hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Vorfeld zugegeben. Denn mehr als ein paar freundliche Gesten wird es nicht geben - dafür sind die Positionen zu festgefahren.
Eigentlich wollte Merkel mit Putin den Startschuss geben für ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Russland, aber sie kommt mit leeren Händen. Polen hat in Brüssel sein Veto eingelegt - wegen des Fleischstreits mit Russland. Das Partnerschaftsabkommen soll den Europäern mehr Sicherheit bei Energielieferungen bringen - immerhin ist Russland Europas größter Energielieferant.
Es hilft eben alles nichts: Trotz aller Differenzen ist man aufeinander angewiesen - nicht zuletzt dann, wenn es darum geht, internationale Krisen zu lösen. "Es gibt eine ganze Reihe von Konfliktherden auf der Welt, die Europa und Russland gemeinsam lösen können und wollen", meinte Merkel in Samara. Sei es der Atomstreit mit Iran oder die Frage nach der Zukunft des Kosovo - überall sitzt Russland mit am Tisch.
Viel Zeit bleibt aber ohnehin nicht heute Vormittag in Wolschskij Utjos. Die Arbeitssitzungen können erst am späten Vormittag beginnen, weil Präsident Putin heute Morgen nicht auf sein Fitness-Programm verzichten will, hieß es - und mittags muss Merkel schon wieder abreisen.