Interview

Interview mit Amir Mohebian "Die Reformer werden von der Bildfläche verschwinden"

Stand: 27.08.2007 22:43 Uhr

Amir Mohebian gilt als einflussreicher Vordenker der konservativen Mótalegeh-Partei. Er ist außerdem politischer Chef der Zeitung "Resalat".

tagesschau.de: Herr Mohebian, wie wird es nach einem Wahlsieg der Konservativen im Iran weitergehen?

Amir Mohebian: Die Reformer werden von der Bildfläche verschwinden. Aber der Reformprozess wird auch unter einer Parlamentsmehrheit der Konservativen weitergeführt werden. Diese Parlamentswahlen sind von größter Wichtigkeit für uns. Das ist unsere letzte Chance, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Die Konservativen müssen dringend ihr Image verbessern. Ich bin jedoch überzeugt, dass sie die Probleme des Landes besser lösen können, als die so genannten Reformer.

tagesschau.de: Was unterscheidet Sie denn überhaupt von den Reformern, wenn Sie den Reformprozess ebenfalls weiterführen wollen?

Mohebian: Natürlich werden wir die Reformen nicht genau in derselben Art und Weise weiterführen, wie die Leute von Präsident Chatami das getan haben. Wir werden eigene Schwerpunkte setzen. Aber ich muss betonen, dass es in vielen Punkten überhaupt keine Differenz zwischen uns und den Reformern gibt. Zum Beispiel, was die Beziehungen zum Ausland angeht: Auch wir wollen die Beziehungen zu Europa verbessern. Wir haben unsere Lektion gelernt und werden unsere früheren Fehler nicht wiederholen.

tagesschau.de: Und was haben Sie in Sachen Innenpolitik gelernt?

Mohebian: Beispielsweise, dass man die Privatsphäre der Menschen respektieren muss. Jeder sollte das Recht haben, selbst über seine Lebensweise zu entscheiden. Wir wollen uns da nicht mehr einmischen. Die Regierung hat nichts im Privatleben der Menschen verloren.

tagesschau.de: Bedeutet das, dass sich demnächst jede iranische Frau so kleiden darf, wie sie möchte?

Mohebian: Nein. Auf die islamische Bekleidung bestehen wir. Aber die Art der Kopfbedeckung wird freigestellt: Tschador oder Kopftuch – ganz egal in welcher Farbe.

tagesschau.de: Wie kommt es, dass die Konservativen zu diesen Zugeständnissen bereit sind?

Mohebian: Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die iranische Gesellschaft sich verändert hat. Wer Iran regieren will, muss sich an diesen gesellschaftlichen Wandel anpassen.

tagesschau.de: Wie würden Sie einem Ausländer den Unterschied zwischen den beiden großen politischen Lagern in Iran erklären?

Mohebian: Einige der Chatami-Anhänger versuchen, das westliche Modell zu imitieren. Sie werfen dabei unsere islamische Identität über Bord. Das halte ich für falsch. Wir dürfen nicht denselben Fehler machen wie Europa, das völlig von den USA assimiliert ist. Demokratie ist gut, aber man muss sie mit der islamisch-iranischen Tradition vereinbaren. Unser Ziel ist eine religiöse Demokratie.

tagesschau.de: Steht ein religiöses Staatssystem nicht im Widerspruch zur Demokratie?

Mohebian: Nein. Beides lässt sich vereinbaren: Der Islam ist unsere Grundrichtung, der Rahmen, in dem Politik stattfinden kann; Demokratie ist die Methode. Man sollte diese Methode so anwenden, dass sie in den islamischen Rahmen hineinpasst. Wir wollen keinen Kalifenstaat, aber die Demokratie kann auch nicht losgelöst von der islamischen Gesellschaft bestehen. Wenn man Islam und Demokratie tatsächlich als Antagonisten betrachten will, hat der Islam bei uns Vorrang.

tagesschau.de: Finden Sie die Streichung der Kandidaten für die Parlamentswahl durch den Wächterrat demokratisch?

Mohebian: Jedes Land hat seine Regeln. Auch in Europa müssen Parlamentsabgeordnete bestimmte Auflagen erfüllen – zum Bespiel brauchen sie ein Mindestalter oder eine bestimmte Zahl von Unterschriften, um zu kandidieren. Bei uns ist eine der Auflagen, dass die Kandidaten nicht im Widerspruch zur islamischen Verfassung handeln dürfen. Sie müssen in den Rahmen passen. Das finde ich nicht undemokratisch.

tagesschau.de: Wie kommt es, dass so viele reformorientierte Parlamentsabgeordnete vor vier Jahren noch in den verfassungsmäßigen Rahmen passten und nun plötzlich nicht mehr?

Mohebian: Sie können sich in dieser Zeit verändert haben. Menschen machen Fehler. Vielleicht haben sie im Ausland Interviews gegeben, die sich gegen die Einheit des Landes richten, oder kritische Reden gehalten. Auch Spionage wird einigen von ihnen vorgeworfen. Das Informationsministerium hat diese Aktivitäten beobachtet und dem Wächterrat einen Bericht darüber vorgelegt. So kam es zu dieser Entscheidung.

tagesschau.de: Die Reformer selbst sagen, dass sie aus politischen Gründen zurückgewiesen wurden.

Mohebian: Ja, schon. Wenn sie gegen das System reden.

tagesschau.de: Was halten Sie von dem Sitzstreik der Reformer im Parlament und den Massenrücktritten im Vorfeld der Wahl?

Mohebian: Diese Aktionen zeigen nur, wie sehr diese Leute an der Macht kleben. Sie hatten jedoch kaum Rückhalt in der Bevölkerung, weil die Menschen von ihnen enttäuscht sind. Es ist den Reformern nicht gelungen, die wirklichen Probleme des Landes zu lösen, allem voran die Arbeitslosigkeit. Wir können das besser. Unter unserer Regie wird es effektivere Reformen geben, die die Wirtschaft des Landes in Schwung bringen.

Das Gespräch führte Andrea Claudia Hoffmann für tagesschau.de