Aufregung über Mohammed-Karikaturen EU schließt nach bewaffneten Protesten Büro in Gaza

Stand: 25.08.2007 21:51 Uhr

Nach Gewaltdrohungen bewaffneter Palästinenser hat die Europäische Union ihr Büro in Gaza geschlossen. Militante hatten vor dem Büro in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichten Mohammed-Karikaturen protestiert. Norwegen schloss seine Vertretung im Westjordanland.

Militante Palästinensergrupppen haben sich dem internationalen Protest islamischer Gruppen gegen die in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichten Karikaturen des Propheten angeschlossen. Vor dem EU-Büro in Gaza hatten vorübergehend bewaffnete Palästinenser Stellung bezogen. "Bis auf weiteres geschlossen", schrieben sie auf die Eingangstür des Büros, das aus Sicherheitsgründen gar nicht erst geöffnet worden war. Ein EU-Vertreter teilte wenig später mit, palästinensische Polizisten würden nun das Büro beschützen. Das Büro blieb aber geschlossen. Ebenfalls geschlossen wurde die norwegische Vertretung im Westjordanland.

Andere Militante hatten gegenüber der Nachrichtenagentur AFP mit Attacken auf Norweger, Dänen und Franzosen gedroht. Die Regierungen dieser Länder sollten ihre Konsulate in den palästinensischen Gebieten schließen, "sonst zögern wir nicht, sie zu zerstören." Frankreich riet seinen Bürgern von Reisen in die palästinensischen Autonomiegebiete ab.

Die Redaktion der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten", die die Karikaturen in Auftrag gegeben hatte und im September 2005 als erste veröffentlichte, hatte gestern Abend eine telefonische Bombendrohung erhalten und ihre Büros vorübergehend geräumt.

Französischer Chefredakteur nach Abdruck entlassen

Nach den heftigen islamischen Protesten in den letzten Tagen hatten sich mehrere europäische Zeitungen mit "Jyllands-Posten" solidarisch erklärt und die umstrittenen Karikaturen ebenfalls abgedruckt. Der Chefredakteur der französischen Boulevardzeitung "France Soir" wurde deshalb allerdings gestern entlassen. Das Blatt hatte alle Motive abgebildet und als Kommentar auf die Titelseite geschrieben: "Ja, man hat das Recht, Gott zu karikieren". In der Kontroverse um die Karikaturen gehe es um das "Gleichgewicht" zwischen dem Respekt von religiösen Überzeugungen und der Meinungsfreiheit in der Demokratie. Der ägyptisch-stämmige Besitzer der Zeitung entschuldigte sich jedoch später für die Veröffentlichung der Karikaturen. Der Chef des französischen Muslim-Verbandes FNMF, Mohamed Bechari, warf dem wirtschaftlich angeschlagenen Blatt vor, es wolle "seine finanziellen Probleme auf dem Rücken der Muslime austragen".

RSF: Es gibt eine Trennung zwischen Presse und Staat

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) erklärte, alle europäischen Länder müssten sich hinter die Dänen stellen, um die Grundsätze der Pressefreiheit zu verteidigen. Die Empörung und die Forderung, die dänische Regierung müsse einschreiten, seien ein Indiz für das Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit in den betreffenden Ländern, sagte RSF-Chef Robert Ménard. Die arabischen Regierungen "verstehen nicht, dass es eine völlige Trennung zwischen dem geben kann, was eine Zeitung schreibt und dem, was die dänische Regierung sagt".

Auch deutsche Zeitungsjournalisten verteidigten gegenüber tagesschau.de den Abdruck. "Ich finde nicht, dass es ein Fehler der "Jyllands-Posten" war, die Mohammed-Karikaturen zu veröffentlichen. In dem Film "Das Leben des Brian" von Monty Python wird schließlich auch Jesus verulkt", sagt Malte Lehming vom "Tagesspiegel." Peter Sturm, Nachrichtenchef der "FAZ", befürchtet sogar: "Ich glaube, dass es in zunehmender Weise Selbstzensur gibt, was islamische Themen angeht, eben weil die Reaktionen so heftig ausfallen, dass es sogar zu Boykottmaßnahmen kommt."

Kampf um Meinungsfreiheit verloren?

Auch in Dänemark hält die Debatte um die Karikaturen an. 27 muslimische Gruppen bezeichneten die Entschuldigung der Zeitung in einer Erklärung als nicht ausreichend. "Jyllands-Posten"-Chefredakteur Carsten Juste sagte in einem Interview mit der Zeitung "Berlingske Tidende", seine Redaktion habe den Kampf um die Meinungsfreiheit verloren. Er müsse "zutiefst beschämt zugeben, dass die anderen gewonnen haben". Er hätte vor vier Monaten niemals die Zustimmung zum Abdruck der Zeichnungen gegeben, wenn ihm die Folgen damals schon klar gewesen wären. Juste hatte am Montag in einer Stellungnahme bedauert, die Gefühle vieler Muslime beleidigt zu haben.