Rumäniens Außenminister im Interview "Die beste Investition, die die EU machen kann"

Stand: 25.08.2007 15:25 Uhr

Eigentlich wollte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn den offiziellen Bericht über die Beitrittsfähigkeit Rumäniens und Bulgariens heute vorlegen. Einen Tag vorher sickerte laut Reuters durch, dass die endgültige Entscheidung wohl erst im Herbst fallen wird.

Rumäniens Außenminister Mihai Razvan Ungureanu ist sich dennoch sicher, dass sein Land fristgerecht 2007 in die EU aufgenommen wird. Im Gespräch mit tagesschau.de sagt er, sein Land sei für den Beitritt besser vorbereitet als manch anderer Staat es war, als er in die EU aufgenommen wurde.

tagesschau.de: Herr Ungureanu, der Beitritt Rumäniens und Bulgariens ist bislang für 2007 geplant, doch könnte er verschoben werden, wenn die Aufnahmekriterien nur unzureichend erfüllt werden. Wie sicher sind Sie sich, dass Brüssel den Beitritt Rumäniens für 2007 befürwortet?

Mihai Razvan Ungureanu: Ich bin überzeugt, dass Rumänien ab Januar 2007 zur EU gehören wird. Wir haben der EU-Kommission ehrlich über unsere Erfolge bei der Umsetzung der Aufnahmekriterien berichtet, und nicht verschwiegen, was noch zu tun ist. Wir wissen aber auch, dass unser EU-Beitritt nicht automatisch die vollständige Integration bedeutet, solch ein Prozess geht nicht über Nacht vonstatten, sondern Schritt für Schritt.

tagesschau.de: Haben Sie den Eindruck, dass Brüssel strengere Aufnahmekriterien bei Rumänien angelegt hat, als bei den Beitrittskandidaten im Jahr 2004?

Ungureanu: Rumänien ist für seinen EU-Beitritt besser vorbereitet als manches Land, das bereits bei der EU-Erweiterungswelle im Jahr 2004 mit dabei war. Aber die zusätzlichen Anstrengungen, die die EU von uns verlangt, heißen wir willkommen, weil wir uns dadurch besser für den Beitritt vorbereiten. Dass die Kriterien strenger werden, ist ein natürlicher Prozess für mich. Ich bin mir sicher, dass mögliche neue EU-Beitrittskandidaten weitaus mehr und strengere Aufnahmekriterien zu erfüllen haben, als Rumänien und Bulgarien.

"Erfolg verwalten - nicht Misserfolg"

tagesschau.de: Sollte Rumänien seine Beitritts-Hausaufgaben nicht erfüllen, kann der Beitritt um ein Jahr verschoben werden. Politikexperten bezeichnen diesen Aufschub als wirkungslos und prognostizieren, dass Rumänien das Jahr ohne weitere Reformen absitzen wird. Wie sehen Sie das?

Ungureanu: Wir gehen von einem Beitritt im Jahr 2007 aus. Das kann man politische Sturheit nennen, aber wir haben uns bewusst keine Drehbücher für den Fall zurechtgelegt, dass der Beitritt auf 2008 verschoben wird. Wir wollen den Erfolg verwalten und nicht den Misserfolg - darauf konzentrieren sich all unsere Anstrengungen. Wir sind bei unseren Reformen auch an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr umkehren können und sind gezwungen, sie weiterzuführen. Das wird auch die Skeptiker, die es zu unserem EU-Beitritt gibt, überzeugen.

"Grenze der EU-Ausweitung erreicht"

tagesschau.de: Die EU-Gemeinschaft wirkt erweiterungsmüde. Es gibt viele Stimmen, die sagen, nach dem Beitritt Rumäniens und Bulgariens wird die EU so bald keine neuen Länder aufnehmen. Will sich Rumänien nach seinem Beitritt für eine neue Erweiterungsrunde stark machen?

Ungureanu: Ohne eine EU-Verfassung wird es in Zukunft keine klaren Erweiterungsregeln geben und ohne Verfassung wird sich die EU in politischen und kulturellen Debatten verlieren. Eine neue Erweiterungsrunde, die künftig auch ganz entscheidend von der Stimmung der Menschen in der EU abhängen wird, erscheint mir derzeit äußerst unwahrscheinlich. Als die Franzosen und die Niederländer den EU-Verfassungsentwurf abgelehnt haben, wurde klar: Die EU ist vorerst am Ende ihrer Erweiterungsfähigkeit angelangt, sie muss sich institutionell neu formieren und sie braucht eine Pause, um sich politisch und ökonomisch zu stabilisieren.

tagesschau.de: Wird sich Rumänien dennoch für den EU-Beitritt seiner Nachbarländern, wie der Republik Moldau, der Ukraine oder Serbien-Montenegros einsetzen?

Ungureanu: Der künftige Finanzplan der EU von 2007-2013 ist auf ein Europa mit 27 Mitgliedern ausgelegt. Schon aus dieser Sicht wird die EU-Erweiterung für diesen Zeitraum kein Thema sein. Andererseits werden die EU-Verhandlungen mit den westbalkanischen Ländern, mit der Republik Moldau, mit der Türkei oder mit der Ukraine diese Länder zu Reformen ermutigen. Das europäische Projekt ist der Katalysator für diese Regionen und ein Garant für ihre politische Stabilität.

"Bewunderung für Beitrittswunsch der Türkei"

tagesschau.de: Rumänien spricht sich im Gegensatz zur deutschen Regierung für den vollwertigen EU-Beitritt der Türkei aus. Wird Rumänien an dieser Position festhalten?

Zur Person
Der 37-jährige rumänische Außenminister Mihai Razvan Ungureanu studierte Geschichte an der Universität "Alexandru Ion Cuza" von Iasi; es folgten zahlreiche Forschungsaufenthalte in Deutschland, Israel, Großbritannien und in den USA. Ungureanu war bereits 1998 bis 2001 als Staatssekretär im rumänischen Außenministerium tätig. Im Jahr 2004 übernahm er das Amt des Außenministers. Er gehört zu den jüngsten Ministern in der rumänischen Regierung.

Ungureanu: Ankara und Bukarest verfügen über sehr gute bilaterale Beziehungen, und ich bewundere die türkischen Politiker, die den Mut haben, rund 80 Jahre nach der Revolution, in deren Folge der moderne türkische Staat entstand, das Projekt nun in Richtung EU-Beitritt weiterzuführen. Ich glaube, die Türkei verdient die Chance, die sie sich wünscht. Aber es wäre zu früh für Rumänien, zu sagen, wir wollen die Türkei oder andere Länder in der Europäischen Union. Wir haben selbst noch sieben Monate bis zum EU-Beitritt.

tagesschau.de: Die Parlamente aller EU-Staaten müssen einzeln dem rumänischen-bulgarischen Beitrittsvertrag zustimmen. Der deutsche Bundestag wird vermutlich erst im Herbst abstimmen. Von Seiten der CDU/CSU gab es in den vergangenen Monaten immer wieder kritische Stimmen über die EU-Beitrittsfähigkeit Rumäniens. Wie sicher sind Sie sich, dass der Bundestag den Beitritt ratifizieren wird?

Ungureanu: Wir haben sehr gute Signale dafür und der neue Fortschrittsbericht der EU-Kommission wird den deutschen Parlamentariern den gewünschten Schwung geben, unserem Beitritt zuzustimmen. In weniger als der Hälfte aller EU-Staaten steht die Ratifizierung noch aus, wir gehen jedoch davon aus, dass bis Ende des Sommers dieser Abstimmungsprozess abgeschlossen sein wird. Natürlich wird sich Rumänien durch den EU-Beitritt nicht über Nacht in ein zweites Deutschland verwandeln; doch Rumänien ist die beste Investition, die die EU machen konnte. Unsere Wirtschaft wächst seit Jahren ungebremst und am meisten profitieren Deutschland und Österreich davon.

Die Fragen stellte Annett Müller für tagesschau.de