EU-Außenminister in Klausur Deutschland soll EU-Verfassung voranbringen
Die Außenminister der 25 EU-Länder haben in Wien beschlossen, ein weiteres Jahr über die EU-Verfassung nachzudenken. Doch die Zeit wird langsam knapp: 2009 wird ein neues Europa-Parlament gewählt, die Gemeinschaft droht handlungsunfähig zu werden. Deutschland soll eine Schlüsselrolle bei der Lösung der Verfassungskrise bekommen.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio, Brüssel, zurzeit Wien
"Wie weiter mit der EU-Verfassung?" Um es vorweg zu nehmen: Die Frage ist noch genau so unbeantwortet wie vorher. Aber immerhin: "Das Verfassungsprojekt wird als europäisches Projekt weiter verfolgt, es hat keine Todeserklärungen gegeben", meinte die Gastgeberin, Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik.
EU verordnet sich weiteres Nachdenken
Aber auf die Gretchenfrage gibt es nach wie vor keine Antwort. Vor einem Jahr haben die Franzosen und danach die Niederländer die EU-Verfassung abgelehnt. Wie kommt man nun aus dieser Sackgasse wieder heraus? Erst einmal gar nicht. Es soll weiter nachgedacht werden. "Für eine definitive Lösung ist die Zeit noch nicht da. Diese Frucht ist noch nicht reif. Wir brauchen noch Zeit und Geduld", meinte Plassnik.
Die Zeit drängt
Allerdings ist allen Beteiligten klar, dass man nicht unendlich Zeit dafür hat. Bis 2009 müsse eine Lösung her. Denn dann wird ein neues Europa-Parlament gewählt, und eine neue EU-Kommission tritt an. Europa droht handlungsunfähig zu werden - mit bald 27 Mitgliedsländern. Die Institutionen müssen schlanker und effizienter werden, außerdem wird es immer schwieriger Entscheidungen zu treffen. Die EU-Verfassung sollte diese überfälligen Reformen umsetzen.
2009 soll die Entscheidung fallen
Immerhin steht ein ungefährer Zeitplan bei der Suche nach einer Lösung jetzt fest. Ein Jahr lang will man noch nachdenken - bis die Franzosen einen neuen Präsidenten gewählt haben und die Niederländer eine neue Regierung. Deutschland hat dann den Vorsitz in der EU - und soll voraussichtlich einen Vorschlag erarbeiten: "Der Vorschlag wird von uns im Juni 2007 erwartet, und dann sollten wir realistischer Weise davon ausgehen, dass wir für den weiteren Prozess noch mindestens zwei Jahre brauchen. Mein Zeithorizont liegt bei 2009", meinte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Würde ein neuer Name helfen?
Teil der Lösung könnte sein, dass das Kind einen neuen Namen bekommt , man sich von dem Reizwort EU-Verfassung verabschiedet. "Ich nehme an, dass diese Frage kommen wird", meinte Jose Manuel Barroso, der Präsident der EU-Kommission. Jean Claude Juncker, der Premierminister von Luxemburg, hatte vor einigen Tagen gemeint, mit diesem Ausdruck habe man den Eindruck erweckt, hier komme die europäische Planierraupe, die alles platt walzen will.
"Genießen sie die Reise!"
Außenminister Steinmeier meinte, die Bezeichnung sei am Ende nicht die entscheidende Frage: "Wir in Deutschland leben mit einem Grundgesetz, das nicht Verfassung im Titel führt. Insofern ist das ein Ansatzpunkt, den wir aber jetzt im Augenblick noch nicht zu Ende diskutieren müssen." Inhaltlich soll so viel wie möglich von der EU-Verfassung gerettet werden. Wie, darüber wird nun weiter nachgedacht. EU-Kommissionspräsident Barroso fühlte sich an die Odyssee erinnert - aber das könne ja auch etwas Schönes sein: "Die Reise mag lang sein - genießen Sie die Reise!"