EU-Außenminister in Klausur Weitere Denkpause für die EU-Verfassung?
Seit Franzosen und Niederländer vor einem Jahr die EU-Verfassung ablehnten, liegt das Vertragswerk auf Eis. Ob es überhaupt noch zu retten ist, darüber beraten die EU-Außenminister in Wien. Eine Verlängerung der Denkpause deutet sich an.
Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio, Brüssel, zurzeit Wien
Genau ein Jahr lang dauert die große Ratlosigkeit nun schon an in der EU. Ende Mai vergangenen Jahres hatten erst die Franzosen die EU-Verfassung abgelehnt und kurz danach auch die Niederländer. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich daraufhin eine Denkpause verordnet. Keiner wusste, wie es weitergehen sollte mit dem großen Projekt EU-Verfassung. Schon damals machte der Scherz die Runde, die Denkpause dürfe nun aber nicht zu einer Pause vom Denken werden. Ist sie aber.
Man ist auch ein Jahr später keinen Schritt weiter. Wer gedacht hat, die Zeit des Nachdenkens sei vorbei, der wird in Wien eines Besseren belehrt: „Es zeichnet sich ab, dass nach dieser Tagung eine Phase des Nachdenkens eröffnet wird, die das Thema Verfassung in regelmäßigen Abständen zur Agenda macht“, meinte Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Plassnik übt sich in Zweckoptimismus
Die Gastgeberin, die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik, bemühte sich nach Kräften, den Eindruck zu erwecken, man sei doch schon einen Schritt weiter: „Ich denke, dass der Zeitpunkt jetzt gekommen ist, vom Zuhören zum Erarbeiten einer Antwort überzugehen“. Plassnik hatte ihre EU-Kollegen ins Stift Klosterneuburg vor den Toren Wiens eingeladen, um hinter dicken Klostermauern in Klausur über die Zukunft der EU-Verfassung und der EU im Allgemeinen zu beraten. Doch was zwischenzeitlich wie ein Startschuss ausgesehen hatte, erweist sich eher als Bankrott-Erklärung. Die Ansichten darüber, ob die EU-Verfassung überhaupt noch zu retten sei, gehen dabei weit auseinander.
"15 Länder haben 'Ja' gesagt zur Verfassung, zwei 'Nein'. Sie können nicht sagen, dass die Verfassung tot ist, weil 15 Länder sie nicht für tot halten. Wir müssen also warten, bis in Frankreich und den Niederlanden Wahlen sind", meint der dänische Außenminister Stig Moeller. Sein Lösungsvorschlag: "Wir werden die Denkpause also erst einmal verlängern."
In einem Jahr wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten und die Niederländer eine neue Regierung. Mittlerweile gilt als sicher, dass bis dahin nichts passieren wird. Die Franzosen schließen allerdings ohnehin mehr oder minder deutlich aus, dass man die Volksabstimmung über die EU-Verfassung einfach wiederholen könnte. In Paris neigt man eher dazu, die Verfassung zu begraben und die nötigen Reformen anders durchzuführen.
Erhält Deutschland eine Schlüsselrolle?
Die EU-Institutionen müssen schlanker und die Entscheidungen einfacher werden. Mit bald 27 Mitgliedsländern droht die EU handlungsunfähig zu werden. Im Frühjahr, wenn Franzosen und Niederländer gewählt haben werden, hat Deutschland den Vorsitz in der EU - und dürfte damit eine Schlüsselrolle spielen. "Ich gehe davon aus, dass die deutsche Ratspräsidentschaft im Verlaufe des ersten Halbjahres 2007 beauftragt werden wird, am Ende dieser Ratspräsidentschaft einen tragfähigen Vorschlag zu machen, wie es weitergehen kann", meint Außenminister Steinmeier. Bis dahin muss noch eine Menge nachgedacht werden.