Kommentar zum EU-Beitritt Rumäniens Der vorerst letzte Zug nach Europa
Von Eberhard Nembach, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa
Rumänen und Bulgaren nehmen den vorerst letzten Zug nach Europa. Weitere stehen vorerst nicht im Fahrplan, auch wenn Kroaten, Türken oder Mazedonier schon am Bahnsteig stehen.
Rumänen und Bulgaren bekamen schon vor langer Zeit den EU-Beitritt fest versprochen. Darauf haben viele gebaut: Deutsche Unternehmer investierten Geld in den Ländern, rumänische und bulgarische Politiker begannen gegen massive Widerstände oft schmerzhafte Reformen. Junge Menschen in Bulgarien und Rumänien träumen davon, in Berlin, München, London oder Paris zu studieren und anschließend in ihren Heimatländern eine Firma zu gründen. Alle diese Menschen sollte man nicht vor den Kopf stoßen, denn sie bauen an einem starken Europa, das auch uns nützt.
Jahre zum Aufholen auf EU-Niveau nötig
Rumänien und Bulgarien brauchen aber noch Jahre, bis dort annähernd ähnliche Verhältnisse herrschen wie in Mitteleuropa. In Bulgarien liefern sich Mafia-Banden Schießereien auf offener Straße, ohne Angst vor Polizei und Staatsanwalt haben zu müssen. In Rumänien gibt es knallharte Gesetze gegen Korruption im Amt, aber die Gerichtsverhandlungen dazu schleppen sich dahin.
Kleine Bauern, die ihre Hühner und Schweine im Hof schlachten, werden die EU-Normen nicht einmal verstehen, geschweige denn umsetzen können. Drei Millionen Roma, von denen viele nicht einmal lesen und schreiben können, haben keine Arbeit, kaum Gesundheitsversorgung und viele Kinder, die selten zur Schule gehen, auch weil sie Prügel fürchten müssen – gegen Roma richtet sich oft offener Rassismus.
Auch bei den Altmitgliedern nicht alles in Ordnung
Richtig ist aber auch, dass Spanien und Portugal auch arm waren, als sie der europäischen Union beitraten. Viele europäische Staaten hatten noch keine funktionierende Demokratie, als der ehrwürdige Brüsseler Club sie aufnahm, der schlimmste Lügner bei den Staatsfinanzen war das Altmitglied Griechenland. Brüssel will Rumänien und Bulgarien streng kontrollieren – das ist sicher richtig. Kontrolle brauchen aber auch die alten EU-Mitglieder, wie der Defizitsünder Deutschland oder der Agrarsubventionen-Verschleuderer Frankreich. Kontrolle ist das tägliche Geschäft der EU.
Es ist Augenwischerei, wenn man so tut, als gebe es in Stein gemeißelte unumstößliche Voraussetzungen für eine EU-Aufnahme, eine Art Mitgliedschaftstest, unbestechlich und genau. Die beschlossenen Auswahl-Kriterien sind dehnbar. Letztlich geht es um politische Entscheidungen: Ob ein Land in die EU gehört oder nicht, hängt davon ab, ob die Mehrheit der EU-Staaten das will.
Das sollte vielleicht auch deutlicher gesagt werden, dann gäbe es nicht immer diese leidige Diskussion über die so genannte EU-Reife eines Landes, von der keiner genau weiß, was sie eigentlich sein soll. Politisch ist es richtig, Bulgarien und Rumänien aufzunehmen. Es wäre aber auch gerecht, andere hereinzulassen, wie zum Beispiel Kroatien, das wirtschaftlich schon viel weiter ist.
Restbalkan wartet auf EU-Aufnahme
Und was ist mit dem Restbalkan? Auch dort warten die klugen, fleißigen, jungen und reformbereiten Menschen auf ein Signal aus Brüssel: Entweder man lädt ihre Länder auf Dauer auch ein in die EU, als Mitglied oder in einer anderen Form, die ihr Leben verbessert - oder diese Menschen verlassen ihre Heimat, kommen selbst zu uns. Rumänen und Bulgaren haben den vorerst letzten Zug nach Europa genommen, aber andere stehen noch am Bahnsteig. Es wäre falsch, sie da für immer stehen zu lassen.
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