Explosionsunglück in Afghanistan Behörden und Bundeswehr ermitteln
Nach dem Explosionsunglück mit acht Toten untersuchen die Afghanistanschutztruppe ISAF und die afghanischen Behörden gemeinsam dem Zwischenfall. Afghanische Sicherheitsverantwortliche halten einen Anschlag für möglich.
Von Christoph Heinzle, ARD-Hörfunkstudio Südasien
"Erst gab es einen gewaltigen Knall und dann Explosionen, die eine halbe Stunden andauerten", beschrieb ein Augenzeuge den Vorfall vom Samstag. Mehrere Fahrzeuge und umstehende Häuser wurden durch die Detonationen beschädigt oder vollkommen zerstört. Bundeswehrsoldaten vom Wiederaufbauteam in Kundus waren in die Nachbarprovinz Takhar gekommen, um die Abgabe von Waffen und Munition eines lokalen Kommandeurs zu beaufsichtigen, der am Entwaffnungsprogramm für afghanische Milizen teilnahm.
Deutsche Soldaten lediglich zur Überwachung dabei
Karen Tissot van Patot, Sprecherin des ISAF-Hauptquartiers in Kabul, beschreibt den Ablauf: "Gegen fünf Uhr nachmittags explodierte eine große Menge Munition nahe dem Flughafen von Rustak in der Provinz Takhar. Die Munition wurde gerade sortiert und für die Zerstörung vorbereitet. Man versuchte herauszufinden, welche Geschosse sicher waren und welche instabil. Die ISAF-Soldaten haben das überwacht, sie waren nicht selbst beteiligt."
Mehrere Verletzte sollen nach Deutschland geflogen werden
Zwei Bundeswehrsoldaten und sechs Afghanen, die beim Verladen geholfen hatten, starben bei der Explosion. Es gab mehrere Verletzte. Ein deutscher Soldat und ein afghanischer Übersetzer der Bundeswehr sollten rasch von Kundus nach Deutschland ausgeflogen werden. Beide sind nicht schwer verletzt, so die ISAF-Sprecherin: "Wir haben einen ISAF-Soldaten und einen afghanischen Zivilisten am Samstagabend zunächst ins deutsche Feldlazarett des Wiederaufbauteams in Kundus geflogen. Die Behandlung der verletzten ISAF-Soldaten und Afghanen hat jetzt Vorrang. Zweitens müssen wir den Unglücksort absichern und drittens verhindern, dass so etwas noch mal passiert."
Zweifel an Unfall-Version
Die Bundeswehr setzte eine Untersuchungskommission zur Klärung des Vorfalls nach Afghanistan in Marsch. Bundeswehr und ISAF gehen nach ersten Ermittlungen von einem Unfall aus - doch afghanische Sicherheitsverantwortliche halten einen Anschlag für möglich. Der Polizeichef der Provinz Takhar etwa sagte, eine ferngezündete Bombe könnte die Explosion verursacht haben, doch er könne noch nichts Konkretes sagen. Auch die ISAF-Sprecherin Tissot van Patot wollte einen Anschlag im Gespräch mit dem ARD-Hörfunkstudio Südasien nicht ausschließen: "Sicherlich werden wir alles genau untersuchen, was mit diesem Vorfall zu tun hat. Es ist noch zu früh zu sagen, ob es eine gezielter Angriff auf das Wiederaufbauteam war. Ich weiß, dass das deutsche Wiederaufbauteam in Kundus eine gute Beziehung zur Bevölkerung in der Region hat und zum Gouverneur - derzeit sehen wir den Vorfall also nicht aus dieser Perspektive."
Karsai würdigt Tote deutsche Soldaten
Der afghanische Präsident Karsai äußerte sich tief betroffen. "Die deutschen Soldaten und die afghanischen Helfer haben ihr Leben im Dienst für Afghanistan verloren", erklärte Hamid Karsai. Die Überwachung der Entwaffnung afghanischer Milizen ist eine der Aufgaben der internationalen Schutztruppe ISAF. Ende Juni geht die erste Phase des Demobilisierungs-Programms zu Ende. Mehr als 60.000 Milizionäre haben den Weg ins Zivilleben angetreten, mehrere zehntausend Waffen und große Mengen Munition wurden abgegeben - doch Millionen von Waffen, Minen und Munition werden noch in Afghanistan vermutet.
Unfälle mit Kampfmitteln keine Seltenheit
Immer wieder kommt es zu Unfällen. Anfang Mai waren im Norden Afghanistans etwa 30 Menschen bei der Explosion eines illegalen Waffendepots ums Leben gekommen. Vor drei Jahren wurden durch einen Unfall bei der Kampfmittelbeseitigung in Kabul zwei deutsche und drei dänische Soldaten der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe getötet.