Methoden des US-Geheimdienstes Terrorverdächtige aus Deutschland in US-Gewahrsam
Die mutmaßliche Entführung des Deutschen al Masri durch die CIA hat hierzulande hohe Wellen geschlagen. Doch er ist nicht der einzige Terrorverdächtige aus Deutschland, der sich in US-Gewahrsam befand. Wie wurden die Verdächtigen festgenommen? Mit welchen Methoden wurden sie verhört?
Die Verschleppung des Deutschen Khaled al Masri durch die CIA in ein Foltergefängnis in Afghanistan hat in der Bundesrepublik hohe Wellen geschlagen. Doch er ist nicht der einzige Terrorverdächtige aus Deutschland, der sich in US-Gewahrsam befand. Wie wurden die Verdächtigen festgenommen? Mit welchen Methoden wurden sie verhört? tagesschau.de dokumentiert die bekannten Fälle.
Der Fall Khaled al Masri
Im Juni 2004 stand in der Kanzlei des Neu-Ulmer Anwalts Manfred Gnijidic plötzlich ein bärtiger Mann und erzählte verstört eine abenteuerliche Geschichte. Er heiße Khaled al Masri und sei 2003 von Neu-Ulm nach Mazedonien gereist. Dort hätten ihn CIA-Beamten gekidnappt und in ein afghanisches Foltergefängnis gebracht. Nach monatelangen Verhören und Misshandlungen sei er in einem albanischen Wald ausgesetzt worden.
Was zunächst vollkommen unglaubhaft klang, wird inzwischen kaum noch bezweifelt. "Immer mehr Puzzlesteine bestätigen die Angaben al Masris", sagte bereits vor Monaten der ermittelnde Münchner Staatsanwalt Martin Hofmann der "Süddeutschen Zeitung". Nach Informationen des Blatts wird die Entführungsthese zudem durch eine Haaranalyse untermauert. Ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass al Masri eine Zeit lang "ganz erhebliche Veränderungen seiner Lebensumstände" erfahren habe. Was al Masri zwischen Januar und Mai 2004 zu sich genommen habe, "könnte tatsächlich zu Afghanistan passen", wird einer der Wissenschaftler zitiert.
Man habe al Masri mit einem Namensvetter eines Freundes der Attentäter vom 11. September verwechselt, heißt es aus US-Sicherheitskreisen. Als das Versehen bemerkt worden sei, habe man al Masri sofort auf freien Fuß gesetzt. Das alles sei zwar sehr unangenehm, öffentlich eingestehen wollten die USA den Fehler aber nicht.
Der Fall Mohammed Haydar Zammar
"Ich bin gesund und bitte euch, für mich zu beten und mir zu verzeihen. Euer Haydar". Nur wenige Worte lang ist die Nachricht von Mohammed Haydar Zammar, die seine Ehefrau und die sechs gemeinsamen Kinder laut "Spiegel" im Sommer 2005 erhalten. Es ist das erste Lebenszeichen seit fast dreieinhalb Jahren. Der aus Syrien stammende Deutsche war wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September spurlos verschwunden und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.
Zammar galt als Vertrauter von Mohammed Atta, einem der Todespiloten von New York. Sicher ist, dass Zammar im Oktober von seinem Wohnort Hamburg nach Casablanca reiste. In Marokko wurde er verhaftet. Anschließend soll er der CIA übergeben worden sein, die ihn nach Informationen des "Spiegel" in das berüchtigte Foltergefängnis Far Filastin nach Damaskus bringen ließ. Die Zellen seien hier kaum größer als ein Handtuch - 1,85 Meter lang und 85 Zentimeter breit. Statt Betten hätten die Häftlinge Laken, statt Toiletten leere Flaschen. Das Essen sei meist verdorben. Schläge und brutale Misshandlungen sind laut Amnesty International an der Tagesordnung. 38 verschiedene Methoden hat die Menschenrechtsorganisation dokumentiert.
Deutsche Ermittler wüssten darüber bereits seit längerem Bescheid, so der "Spiegel". Mehr noch: Im November 2002 sei eine Delegation von Beamten des Bundeskriminialamtes, des Bundesamtes für Verfassungsschutzes und des BND nach Syrien gereist, um Zammar in eben diesem Foltergefängnis zu verhören. Die Bundesregierung lehnte Ende November 2005 eine Stellungnahme hierzu ausdrücklich ab. Über die Tätigkeit der Geheimdienste unterrichte die Bundesregierung lediglich den Geheimdienstausschuss des Bundestags, erklärte das Presseamt in Berlin.
Der Fall Murat Kurnaz
Die Veränderung des Bremer Schiffbaulehrlings Murat Kurnaz begann im Jahr 2001. Der in Deutschland geborene Mann mit türkischem Pass ließ sich plötzlich einen Bart wachsen, las den Koran, ging in die Moschee. Im Oktober wollte er gemeinsam mit einem Bekannten nach Pakistan reisen. Doch sein Freund Selcuk B. wurde am Flughafen festgenommen - die deutschen Behörden suchten ihn, weil er eine Geldstrafe für seinen bissigen Hund nicht bezahlt hatte. Kurnaz flog alleine.
Die Sicherheitskräfte in Pakistan verhafteten den damals 19-Jährigen und übergaben ihn den US-Behörden. Die ließen ihn Anfang 2002 in das US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba bringen. Er habe Verbindungen zu den radikalislamischen Taliban und zur Terrororganisation Al Kaida, außerdem sei sein Freund Selcuk B. ein gefährlicher Attentäter, so die US-Ermittler zur Begründung. Beweise legten sie nicht vor und der Beschuldigte bestreitet bis heute alle Vorwürfe.
In Guantanamo wurde Kurnaz nach Angaben seines Anwalts mehrfach brutal misshandelt. Sein Mandant sei an den Händen aufgehängt worden, Ermittler hätten Kurnaz´ Kopf in Verhören unter Wasser gedrückt, bis er Angst gehabt habe, zu ertrinken, so Bernhard Docke im Gespräch mit tagesschau.de. Wärter hätten Kurnaz geschlagen und sexuell gedemütigt. Laut Docke gehen die Amerikaner inzwischen selbst davon aus, "dass Kurnaz keine Verbindungen zu den Taliban und Al Kaida hatte". Warum der 23-Jährige noch immer in dem Lager sitze, sei das große Geheimnis.