Austausch von Polizeidaten in der EU EU-Datenschützer kritisiert Schäubles Pläne
Die immer neuen Vorschläge von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zur Verschärfung von Sicherheitsgesetzen haben in Deutschland so manchen Datenschützer erzürnt. In der Diskussion um den europaweiten Austausch von polizeilichen Daten stößt Schäuble nun auch auf EU-Ebene auf Widerstand.
Von Tim Gerrit Köhler für tagesschau.de
Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft will der deutsche Innenminister die Zusammenarbeit der europäischen Polizeibehörden verbessern. Zentraler Punkt von Schäubles Vorhaben ist die Vernetzung der Polizeidatenbanken aller EU-Länder. Bislang ist der Datenaustausch lediglich zwischen Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, den Niederlanden, Österreich und Luxemburg erlaubt. Diese Staaten haben im Mai 2005 den Prümer Vertrag unterzeichnet, der ihren Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf die Fahrzeugregister sowie Fingerabdruck- und DNA-Datenbanken der jeweils anderen Unterzeichnerstaaten gewährt.
So gleichen etwa Deutschland und Österreich seit der Ratifizierung des Vertrags Ende 2006 Tatortspuren wie DNA-Daten gegenseitig ab, um auf diesem Weg möglichen Tätern aus dem Nachbarland auf die Spur zu kommen. Nicht nur Kriminelle, Terroristen und illegale Einwanderer sollen durch den umfassenden Datenaustausch dingfest gemacht werden, sondern auch Gewalttäter wie Hooligans, die nicht selten grenzüberschreitend aktiv sind.
Ausdehnung auf die gesamte EU
Die Innen- und Justizminister der beteiligten Länder werten das Modell von Prüm als Erfolg; Italien, Finnland, Portugal und Slowenien haben inzwischen ebenfalls Beitrittserklärungen abgegeben, Großbritannien zumindest Interesse bekundet. Schäuble will, dass der multilaterale Prümer Vertrag nun in ganz Europa Schule machen kann, indem die Regelungen des multilateralen Abkommens in den Rechtsrahmen der EU überführt werden. Für Schäubles Pläne, die Zusammenarbeit somit auf alle Staaten der Europäischen Union auszudehnen, gibt es im Grundsatz bereits grünes Licht: Mitte Februar haben sich die 27 EU-Innenminister darauf verständigt, den Datenaustausch europaweit zu ermöglichen.
Am 27. Mai 2005 unterzeichneten Deutschland, Frankreich, Spanien, Belgien, die Niederlande, Österreich und Luxemburg in Prüm in der Eifel ein zwischenstaatliches Abkommen. Der sogenannte Prümer Vertrag regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten. In Deutschland trat er am 23. November 2006 in Kraft. Am 15. Februar 2007 beschlossen die Innen- und Justizminister der EU, den Vertrag in europäisches Recht zu überführen und somit auf alle 27 EU-Staaten auszuweiten.
Dazu sollen jedoch zunächst einheitliche Regeln für den Datenschutz entwickelt werden, um einen Missbrauch der hochsensiblen Daten auszuschließen. Nach Ansicht des EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx sind die derzeitigen Regeln in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu unterschiedlich, um als Basis der europäischen Zusammenarbeit auszureichen. Innenminister Schäuble plant daher die Einrichtung einer zentralen Datenschutzbehörde, die die bisherigen Aufsichtsorgane der europäischen Polizei- und Justizbehörden Europol und Eurojust bündeln soll.
Viele Kritikpunkte
Aus Sicht Hustinx’ fällt Schäubles Vorhaben jedoch noch hinter die Standards zurück, die die 1981 verabschiedete Datenschutzkonvention des Europarats festschreibt. Diese setzt der Verarbeitung von Informationen über Rasse, politische Anschauung, Gesundheit, Religion und weitere Persönlichkeitsmerkmale Grenzen; darüber hinaus schränkt sie den Datenaustausch mit Staaten ein, in denen es keinen vergleichbaren Schutz gibt. Diese Regelungen finden sich zumindest indirekt auch im Prümer Vertrag wieder. Er garantiert ein Datenschutzniveau, das den Bestimmungen der Konvention von 1981 entspricht. Dennoch war bereits das Vertragswerk von Prüm vielen Datenschützern ein Dorn im Auge.
Die Ausdehnung dieses Abkommens auf ganz Europa ruft nun auch den obersten EU-Datenschützer auf den Plan: Hustinx kritisiert, dass es nach Schäubles Plänen keine Unterscheidung im Umgang mit „harten“ Daten (über bereits überführte Täter) und „weichen“ Daten (über Verdächtige) geben soll. Zudem mahnt er eine klarere Differenzierung der Informationen nach verschiedenen Kategorien an, so dass etwa die Daten von Zeugen oder Opfern nicht mit denen Krimineller gemeinsam geführt würden. Auch für die Weitergabe von Daten an Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union fehle ein angemessener Schutz. Hustinx fordert daher, die Vorschläge Schäubles nicht ohne „wesentliche Verbesserungen“ umzusetzen.