Schöne umstrittene Insel Sachalins dienstältester Leuchtturmwärter
Von Ruth Dickhoven, ARD-Hörfunkstudio Moskau
Wer Wladimir Iwanowitsch auf seinem Leuchturm Lopatina am Südwestufer Sachalins besuchen will, der muss eine lange und holprige Fahrt hinter sich bringen. Der dienstälteste Leuchtturmwärter kam 1959 aus Weißrussland hierher und ging nie wieder fort. Wenn sie ihn von hier wegschicken würden, glaubt er, dann müsse er sterben, denn er habe verlernt, außerhalb dieses Leuchtturms zu leben.
Mädchen für alles
Seine Kinder wurden hier geboren, Wladimir Iwanowitsch hat sie selbst auf die Welt geholt. Ärzte seien ja nicht in die entlegene Gegend gekommen. Beim ersten Mal wusste er noch nicht, wie das mit der Nabelschnur geht. Aber er hat es gelernt. Und heute, meint er, hole er auf die Welt, was man wolle: Kinder, Fohlen, Kälber. Das Schicksal habe es ihm beigebracht.
Pflicht zu leuchten
Im Oktober wird Wladimir Iwanowitsch 72. Aber die Treppen, hinauf auf den 15 Meter hohen Leuchtturm nimmt er immer noch leichtfüßig. Was ihn dieser Leuchtturm schon Nerven gekostet hat, seufzt Wladimir Iwanowitsch. Niemals durfte die Lampe ausgehen, dafür stand er gerade. Und immer musste dieser bestimmte Rhythmus eingehalten werden, der den Schiffskapitänen bis heute sagt: Ihr seid vor Lopatina und nirgendwo sonst.
Dreimal in der Nacht mussten sie hochsteigen, um die Lampe in ihrem Rhythmus zu halten. Später erfanden sie endlich einen Motor, der den genauen Charakter des Leuchtens nachahmen konnte. Jahre haben wir daran gearbeitet, erinnert er sich, "und was glauben Sie, war der Lohn? Eine Flasche Wodka."
Strategisches Licht
Zu Sowjetzeiten hätte ihn der kleinste Fehler den Kopf Kosten können, erzählt der Leuchtturmwärter. Und dass er einmal eine ganze Nacht lang zigtausende von Streichhölzern verfeuert hat, damit bloß das Licht nicht ausgeht. Schließlich kreuzten hier die großen Kriegsschiffe der Pazifikflotte. Mit dem Anschluss an die Elektrizität wurde das Leben zwar leichter. Aber Fehler darf es auch weiterhin nicht geben. Zumal mit dem beginnenden Erdölboom von Sachalin hier zwischen Russland, Japan und Sachali immer mehr Öltanker unterwegs sind.
Das Warnsignal zeigt an, wann auf Selbstbetrieb umgeschaltet werden muss. Denn auch heute noch herrscht in der tatarischen Bucht Energieknappheit. Wenn der kommunale Strom abgeschaltet wird, darauf ist Wladimir Iwanowitsch stolz, können sie trotzdem weiterarbeiten. Nicht einmal in seinem Leben, in den fast 45 Jahren hier, habe er auf dem Leuchtturm das Licht ausgehen lassen.
Vom Fortschritt zurückgelassen
Neben dem Leuchtturm haben Wladimir Iwanowitsch und seine Frau Warwara noch die Landwirtschaft. Denn mit dem Leuchtturmwärtergehalt allein kämen sie kaum über die Runden. Ein großer Gemüsegarten, Schweine, Hühner, eine Kuh und das Pferdchen Strelka - im Winter die einzige Möglichkeit, ins Dorf zu kommen. Fließendes Wasser gibt es nicht. Gekocht wird auf einem alten Kohleherd.
Die Wohnung, sagt Warwara, haben noch die Japaner gebaut, alles stammt noch aus dem Jahr 1912. Es sei so kalt, dass im Winter sogar drinnen die Gurken erfrieren. Es sei sehr kalt, aber man sage ihnen, sie bekämen auch mal ein wärmeres Häuschen, wer weiß.
Doch Warwara und Wladimir sind bescheidene Leute. Bei allen Alltagsschwierigkeiten genießen sie doch ihr beschauliches, abgeschiedenes Leben am Meer. Was in der Welt vorgeht, das kriegen sie auch so mit. Er verfolge die Weltpolitik jeden Abend am Fernseher, sagt der Leuchtturmwärter. Ihm gefalle der Weg, den Putin eingeschlagen hat, wie er sich mit Kanzler Schröder verstehe und auch mit den Amerikanern und den Japanern. Das finde er sehr gut, betont er. "Ich möchte, dass unser Volk in Frieden lebt. "