Schwer zu stoppendes Netzwerk Bin Ladens Organisation Al-Kaida
Die Ermittler sehen in der Organisation Al-Kaida eine neue Form des Terrorismus. Bei der global operierenden Organisation handelt es sich ihrer Ansicht nach um ein Netzwerk verschiedener Gruppen. Die genaue Struktur der Organisation aber bleibt bislang im Dunkeln.
Dass Terrorismus-Experten und Geheimdienstler nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001 so schnell auf den saudisch-stämmigen Milliardär Osama Bin Laden als Drahtzieher tippten, hat gute Gründe. Vor allem seiner Organisation Al-Kaida sei das nötige Know-how für eine Terror-Operation dieses Ausmaßes zuzutrauen, hieß es sofort. Die Organisation wird auch mit den Anschlägen auf den Tanker "Limburg" vor der Küste Jemens, dem Mord eines US-Soldatens in Kuwait und dem Anschlag gegen westliche Touristen auf Bali in Zusammenhang gebracht.
Nach Ansicht von US-Ermittlern stellt die Bin-Laden-Gruppe eine neue Form von Terrorismus dar. An die Stelle einer einzelnen, fest umrissenen Organisation sei ein internationales und global operierendes Geflecht verschiedener Terrorgruppen getreten.
Mutmaßungen über die Struktur
Über die genaue Struktur von Al-Kaida gehen die Ansichten jedoch auseinander. Der saudische Dissident Saad El Fagih erklärte 1999 dem US-Fernsehunternehmen PBS, Al-Kaida sei lediglich eine Art Register von 20.000 bis 30.000 Freiwilligen, die in Afghanistan gegen die Rote Armee gekämpft hätten.
Nach der Anklageschrift eines Gerichts in Manhattan, vor dem Bin Laden und andere 1998 wegen der Bombenattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania angeklagt wurden, handelt es sich bei Al-Kaida jedoch um eine streng geführte Organisation, die eng mit Untergrundorganisationen in der gesamten islamischen Welt zusammenarbeitet.
Anfänge vermutlich 1989
Laut Anklageschrift gehen die Anfänge der Organisation bis 1989 zurück. Ausgehend von dem "Maktab el Chidmat" (Büro für Dienste) mit Filialen in Afghanistan, Pakistan und dem New Yorker Stadtbezirk Brooklyn entwickelten Bin Laden und sein Mitstreiter Muhammad Atef offenbar eine eigene Organisation, die sich Al-Kaida nannte. Bis 1991 soll sie ihre Hauptsitze in Pakistan und Afghanistan gehabt haben. Dann siedelte sie demnach nach Sudan über.
Seitdem soll Al-Kaida in den Bergen Afghanistans ihre Lager unterhalten, gedeckt von den radikal-islamischen Taliban in Kabul. Ziel der Gruppe ist laut Anklage der Kampf gegen nicht-islamische Regierungen, allen voran die US-Regierung. Als "Ungläubige" gelten Bin Laden und seinen Fundamentalisten auch die Staats- und Regierungschefs im Nahen Osten.
US-Ermittler: Enges Netz
Al-Kaida funktioniert einerseits als eigenständige Organisation, unterhält nach Erkenntnissen der US-Ermittler aber ein engmaschiges Beziehungsnetz zur Dschihad-Gruppe und der Gamaa Islamija (Islamische Gruppe) in Ägypten, der Nationalen Islamischen Front in Sudan, der Hisbollah im Nahen Osten, einzelnen Regierungsvertretern in Iran und Gruppen in zahlreichen Ländern von Bosnien-Herzegowina bis Bangladesch. Bin Laden unterhält demnach Trainingslager und Unterkünfte für Terrorgruppen in Afghanistan, Pakistan, Kenia und Somalia.
Zwei Investment-Firmen, ein landwirtschaftliches Unternehmen, eine Bau- und eine Transportfirma sichern laut Anklageschrift die finanzielle Grundlage.
Ehemaliges Mitglied sagte als Zeuge aus
Vor Gericht präsentierten die New Yorker Ankläger im vergangenen Februar ein ehemaliges Mitglied der Organisation. In einem speziellen Zeugenschutz-Programm sagte Dschamal Achmed El Fadl aus. Al-Kaida-Mitglieder werden offenbar auf Bin Laden eingeschworen. Wichtige Entscheidungen trifft laut der Zeugenaussage ein beratendes Gremium.
Den Mitgliedern werde bei ihrem Training eingeschärft, dass es erlaubt sei, auch Unschuldige zu töten, sagte El Fadl. Ihm sei gesagt worden: "Wenn es ein guter Mensch war, kommt er in den Himmel - war es ein böser Mensch, kommt er in die Hölle."
El Fadl organisierte nach eigenen Worten zwei Kamel-Karawanen, um russische Gewehre nach Ägypten zu schmuggeln. Er habe von 1989 bis 1993 für Al-Kaida Geldkoffer mit bis zu 100.000 Dollar in bar transportiert. Einen Kämpfer samt Waffe nach Tschetschenien einzuschleusen, habe rund 300 Dollar gekostet. El Fadl zufolge versorgte der sudanesische Geheimdienst die Organisation mit Waffen, darunter auch mit Stinger-Luftabwehrraketen.