Interview

Niedecken im Interview Begeisterung über "ungeheure Energie der Leute in Afrika"

Stand: 27.08.2007 09:41 Uhr

Als Botschafter der Aktion "Gemeinsam für Afrika" ruft Wolfgang Niedecken in diesem Jahr dazu auf, für Hilfsprojekte auf dem schwarzen Kontinent zu spenden. Zunächst aber machte sich der BAP-Sänger in Uganda sein eigenes Bild von der Lage. Zum Abschluss seiner Reise berichtete er tagesschau.de von seinen Erfahrungen.

tagesschau.de: Sie sind sechs Tage durch Uganda gereist und haben sich angesehen, wie deutsche Hilfsorganisationen versuchen, den Menschen hier zu helfen. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Wolfgang Niedecken: Ich muss ehrlich sagen, dass ich zunächst nicht besonders hoffnungsvoll gewesen bin. In diesem Land ist einfach so viel politisch schief gelaufen, da sieht man schon eine Menge Leid. Aber was mich dann begeistert hat, das ist diese ungeheure Energie und der Durchhaltewillen der Leute hier. Wir in Europa sagen ja oft mal, dass unsere Hilfe ja eh nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist und nichts bringt. Aber da muss ich mal ehrlich sagen: So lange die hier in Afrika nicht resignieren, so lange haben wir schon mal gar nicht zu resignieren!

tagesschau.de: Sie haben auch den Norden Ugandas besucht, wo Kindersoldaten der "Lord’s Resistance Army" seit fast zwanzig Jahren einen brutalen Bürgerkrieg gegen das eigene Volk führen.

Wolfgang Niedecken: Das war das härteste, was ich hier erlebt habe. Man muss sich das mal vorstellen: Da laufen Kinder jeden Abend kilometerweit von zuhause aus alleine in die Stadt, um auf dem nackten Boden in bewachten Lagern der Hilfsorganisationen und Kirchen zu übernachten. Aus Angst, sie könnten wie tausende andere Kinder von den LRA-Rebellen entführt werden. Als ich das gesehen habe, habe ich mich sofort gefragt: Was, wenn das meine Kinder wären, die jede Nacht zum Schlafen woanders hin laufen müssten – und ich würde mich jeden Morgen fragen, ob sie zurück kommen? Oder ob ich noch lebe, wenn Sie ihr Zuhause erreichen? Das hat mich wirklich umgehauen.

tagesschau.de: Und trotzdem haben Sie Hoffnung?

Wolfgang Niedecken: Natürlich. Dieses Zentrum zum Beispiel, wo die entkommenen Kindersoldaten wieder auf die Rückkehr ins normale Leben vorbereitet werden. Das ist doch echte Hilfe. Bei anderen Projekten hat es mich bewegt zu sehen, dass man tatsächlich mit wenig viel erreichen kann, dass das nicht nur so ein Spruch ist. Da gab es eine Frau, die sich mit einem Mikrokredit ihre Kleinstexistenz aufgebaut hat: Sie röstet Sojabohnen, füllt sie in Tütchen und versiegelt sie über einer offenen Gasflamme. Damit ernährt sie jetzt ihre ganze Familie!

tagesschau.de: Egal, wo Sie hingingen, überall gab es Musik – was nehmen Sie denn davon mit?

Wolfgang Niedecken: Ich war echt immer wieder erstaunt, auf was für Instrumenten die hier in der Lage sind, tolle Musik zu machen. Dass die Dinger überhaupt stimmbar sind, auf denen die da spielen, das ist der Wahnsinn. Ich brauche da jetzt ein bisschen Inkubationszeit, aber dann werden sich die Musik und die Erlebnisse sicher auch im einen oder anderen meiner Stücke niederschlagen.

tagesschau.de: Warum haben Sie sich entschlossen, in diesem Jahr Botschafter der Aktion "Gemeinsam für Afrika" zu werden?

Wolfgang Niedecken: Ich habe das im letzten Jahr verfolgt, als Herbert Grönemeyer den Botschafter gemacht hat, und fand das gleich eine tolle Idee: Dass 21 Organisationen sich zusammen tun und sagen, wir geben nicht 21 mal Geld für Werbung aus, sondern nur einmal. Und als die Veranstalter mich in diesem Jahr gefragt haben, ob ich mitmache, brauchte ich nicht zu überlegen. Ich muss meinen kleineren Kindern oft genug erklären, was in der Welt immer so schief läuft und denke, wenn ich was Sinnvolles dagegen tun kann, dann gehört sich das einfach.

tagesschau.de: Wie wollen Sie es schaffen, möglichst viel Unterstützung für Afrika zu mobilisieren?

Wolfgang Niedecken: Ich will die Eindrücke weiter geben, die ich hier gesammelt habe. Das Traumergebnis für mich wäre, wenn ich damit möglichst viele Leute für Afrika interessieren könnte, die sich dann fragen: Was geht da eigentlich genau ab? Wenn ich es schaffe, dass einer vom Küblböck weg zu einer Fernsehsendung schaltet, wo es wirklich um was geht, dann habe ich doch schon was erreicht.

Das Interview führte Marc Engelhardt in Kampala