Militäreinsatz in Libyen NATO zeigt sich nicht bündnisfähig
Der Militäreinsatz in Libyen entwickelt sich zur Zerreißprobe für die NATO. Beim Botschaftertreffen in Brüssel gab es wieder keine Einigung über die Rolle des Bündnisses. Generalsekretär Rasmussen verließ sogar die Sitzung. Frankreich will die militärische Führung, und die Türkei reagiert verschnupft.
Der Militäreinsatz in Libyen droht die NATO zu spalten. Die Botschafter der 27 Mitgliedsstaaten konnten sich noch immer nicht auf eine gemeinsame Marschrichtung einigen. Mehrere Botschafter und sogar Generalsekretär Rasmussen verließen zweitweise den Saal.
Frankreich beharrt auf der Führungsrolle beim Militäreinsatz. Nach Angaben von Diplomaten will die Regierung diese allenfalls an die EU abtreten. Die Türkei wiederum blockiert eine Steuerung des Militäreinsatzes durch die NATO. Ministerpräsident Tayyip Erdogan forderte, die Luftangriffe müssten so schnell wie möglich beendet und eine Besetzung des ölreichen Landes vermieden werden. "Unser größter Wunsch ist, dass die Libyer selbst über ihre Zukunft bestimmen", sagte er in Mekka am Rande eines Saudi-Arabien-Besuches.
Italien für NATO-Führung
Unterdessen werden die Rufe nach einer Übernahme durch die NATO immer lauter. Italiens Außenminister Franco Frattini sagte, ansonsten könne das Land seine Luftwaffenstützpunkte nicht länger zur Verfügung stellen.
Die USA, die seit Samstag die meisten Angriffe gegen die Stellungen von Libyens Machthaber Muammar al Gaddafi geflogen sind, wollen ihre Führungsrolle so schnell wie möglich loswerden. "Wir haben zugestimmt, unser einzigartiges Potenzial am Anfang einzusetzen", hatte Verteidigungsminister Robert Gates deutlich gemacht. "Innerhalb weniger Tage wollen wir die hauptsächliche Verantwortung in die Hände anderer legen."
Auf Grundlage einer UN-Resolution fliegt ein Bündnis um Frankreich, Großbritannien und den USA seit Samstag Luftangriffe gegen die Regierung von Gaddafi, um Zivilisten zu schützen und eine Flugverbotszone durchzusetzen. Deutschland beteiligt sich nicht an dem Militäreinsatz. Bundesaußenminister Westerwelle hatte die Enthaltung damit begründet, dass die Regierung keine Soldaten nach Libyen schicken wolle.
Um eine Lösung in dem Konflikt zu finden, kam am Abend auch der UN-Sicherheitsrat zu Beratungen zusammen. Das Treffen findet Diplomaten zufolge hinter verschlossenen Türen am UN-Sitz in New York statt.
Unterdessen wird die internationale Kritik an dem Militäreinsatz immer lauter. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin sagte in Wotkinsk, die UN-Resolution zur Einrichtung einer Flugverbotszone ähnele dem Aufruf zu mittelalterlichen Kreuzzügen. Sie sei unbrauchbar und fehlerhaft, sagte Putin vor Arbeitern einer Raketenfabrik. Präsident Dmitri Medwedjew widersprach allerdings und erklärte, es sei unakzeptabel, die UN-Resolution mit einem Aufruf zu Kreuzzügen gleichzusetzen. Medwedjew mahnte aber auch, der Militäreinsatz müsse verhältnismäßig sein. In offiziellen chinesischen Zeitungen wurden die Einsätze als Bruch internationaler Regeln gewertet.
EU verhängt weitere Sanktionen
Einigkeit herrschte hingegen bei der EU mit Blick auf weitere Sanktionen gegen Gaddafi. So beschlossen die Außenminister der 27 EU-Länder, das Vermögen von elf Vertretern der libyschen Führung sowie von neun Wirtschaftseinheiten wie Banken und Unternehmen in der EU einzufrieren. Zudem wird den Vertretern aus dem Umkreis von Machthaber Gaddafi die Einreise in die EU verweigert.