Krieg in Nahost Keine sicheren Orte für Journalisten
Sie sollen aus den Konfliktgebieten berichten: Kameraleute, Reporter, Fotografen. Aber sie sind selbst in ihren Rückzugsorten nicht mehr sicher. Im Libanon und in Gaza geraten Journalisten immer wieder unter Beschuss.
Der Luftschlag kam mitten in der Nacht, als die Journalisten in ihren Betten lagen und schliefen. Kamerateams und Fotografen von sieben nahöstlichen Nachrichtensendern hatten sich in der Kleinstadt Hasbaya in einem Gästehaus einquartiert. Sie nutzten es als eine Art Hub für die Berichterstattung über den Libanonkrieg.
Am Freitagmorgen liegt dort alles in Trümmern. Zwei Kameramänner aus dem Iran und ein libanesischer Rundfunktechniker wurden getötet. 18 Journalisten hatten sich im Gästehaus einquartiert. Der Angriff auf eine derart große Gruppe von Medienschaffenden ist beispiellos im bisherigen Kriegsverlauf. Er signalisiert arabischen und auch westlichen Reportern in Beirut: Es kann Euch überall und jederzeit treffen.
Die Journalisten dachten, sie wären sicher
Stunden nach dem nächtlichen Bombardement sucht sich der Al-Dschasira-Reporter Ihab al-Aqdi einen Weg durch die zertrümmerten Überreste des Gästehauses. Er hat überlebt - und berichtet live für seinen Sender: Mehrere Raketen seien eingeschlagen, sagt er, zeigt auf geborstene Wände, zersplittertes Mobiliar, während seine Kollegen zwei tote Körper ins Freie schleppen.
Hasbaya ist eine hübsche friedliche Kleinstadt, bekannt für erstklassige Oliven und Feigen. Die ländliche Gegend wird von Drusen bewohnt, sie liegt abseits der Front am Fuße des Hermon. Die Medienleute glaubten, in Hasbaya vor den Kämpfen im libanesisch-israelischen Grenzgebiet sicher zu sein. Aber das waren sie nicht.
"Das ist ein Kriegsverbrechen"
Die drei Todesopfer des israelischen Angriffs waren für iranische und libanesische Sender im Einsatz, Al-Mayadeen und Al-Manar, die beide der Hisbollah nahestehen. Wer dort arbeitet, hat ein vollkommen anderes Weltbild als die meisten westlichen Journalisten. Die Berichte von Al-Mayadeen und Al-Manar sind von anti-israelischer Propaganda verzerrt, Al-Manar ist in Deutschland verboten.
Aber die Getöteten im Gästehaus von Hasbaya waren keine Hisbollah-Milizionäre. Es waren Zivilisten, die vom israelischen Militär mit einem gezielten Luftschlag umgebracht wurden. "Das ist ein Kriegsverbrechen", erklärte der libanesische Gesundheitsminister Firass Abiad und kündigte an, das Außenministerium werde eine Beschwerde beim UN-Sicherheitsrat einreichen.
Untersuchungen laufen ins Leere
Die israelische Armee hat in den zurückliegenden Monaten nicht nur die Mitarbeiter Hisbollah-naher Sender getötet. Vor fast genau einem Jahr starb der Kameramann der internationalen Nachrichtenagentur Reuters, Issam Abdallah, nahe der israelischen Grenze durch direkten Beschuss. Die israelische Armee erklärte danach, sie werden den "Vorfall" untersuchen.
Ähnlich hat sie sich nun auch nach dem tödlichen Angriff in Hasbaya geäußert. Solche Ankündigungen laufen in der Regel ins Leere. Nach über einem Jahr hat sich immer noch kein israelischer Militärsprecher zum Tod Abdallahs geäußert.
Das Komitee zum Schutz von Journalisten CPJ dokumentiert seit Oktober 2023 den gewaltsamen Tod von 128 Journalisten und Medienschaffenden, die meisten starben durch israelischen Beschuss in Gaza und im Libanon. Auch Rif Akil, Reporterin des seriösen libanesischen Nachrichtensenders Al-Jadeed, geriet in akute Lebensgefahr, als sie nahe der Demarkationslinie live einen Aufsager machte und plötzlich neben ihr eine israelische Rakete einschlug.
Propaganda oder Chronistenpflicht?
Bei solchen Angriffen scheint es dem israelischen Militär weniger um den Kampf gegen israelfeindliche Propaganda zu gehen - dann müsste es viele Medienhäuser in der arabischen Welt bombardieren. Entscheidend sind vielmehr die grässlichen Bilder vom Krieg, die arabische Nachrichtenkanäle seit einem Jahr aus Gaza und seit einem Monat auch aus dem Libanon senden.
Für arabische Korrespondenten ist Israel immer "al adu israili" - der Feind. Die Kamerateams sind aber auch häufig unerschrockene Chronisten des Krieges. Sie gehen mitten in die schlimmsten Todeszonen hinein und zeigen, was übrig bleibt, wenn ein Wohnblock bombardiert wird: verstümmelte Leichen, zerfetzte Gliedmaßen, tote Kinder. Die Szenen sind oft so verstörend, dass man sie im Westen nicht zu sehen bekommt. In der arabischen Welt laufen sie rund um die Uhr und millionenfach über die Bildschirme.
"Rif?", flehte der Moderator von Al-Jadeed, als seine Reporterin während der Live-Sendung in einer Explosionswolke verschwand, "Wo bist Du, geh weg, bring Dich in Sicherheit." Rif Akil wischte sich den Staub aus dem Gesicht, nahm ihr Mikrofon und machte weiter.