Rechter Koalitionspartner Rassismus-Debatte um Finnlands Regierung
Kontakte in die Nazi-Szene, rassistische SMS: Finnlands Regierung beschäftigt ein Skandal nach dem nächsten. Grund dafür ist der rechte Koalitionspartner. Ministerpräsident Orpo versucht zu beschwichtigen.
Ein Minister mit Kontakten in die Nazi-Szene und eine stellvertretende Regierungschefin, die in einem Blog-Beitrag das N-Wort benutzt: Seit die Partei "Die Finnen" mitregiert, beschäftigt die Regierung ein Rassismus-Skandal nach dem nächsten. Der erste Wirtschaftsminister musste nach nur zehn Tagen im Amt gehen - und um seinen Nachfolger gibt es auch schon Ärger: Wille Rydman hatte Menschen aus dem Mittleren Osten in privaten SMS als Affen bezeichnet.
Trotzdem sagt der konservative Regierungschef Petteri Orpo, man habe in der finnischen Regierung keine rechtsextreme Partei. Man sei eine "zentral konservative Regierung", so Orpo. "Und wir werden genauso weiterarbeiten, wie sie uns in der ganzen Welt und Europa schon kennen."
Kritik mit Ansage?
Alle Fälle liegen bereits Jahre zurück, die Betroffenen hätten sich entschuldigt, argumentieren Orpo und andere. Trotzdem fragen sich viele: Wie können in Finnland solche Politiker Minister werden? Und: Hätten es die Konservativen nicht wissen müssen? Hätten sie, sagt die Politikwissenschaftlerin Ann-Cathrine Jungar von der Södertörn-Universität in Schweden.
Jungar beobachtet eine öffentliche Diskussion über die Rechtspopulisten - es gehe darum, "was das für eine Partei ist und wie es sein kann, dass man eine Partei in der Regierung haben kann, die Minister nominiert, die solche Leichen im Keller haben". Das sei ja nicht unbekannt, dass es Abgeordnete gebe, die sich extrem äußerten. "Man hat auch Kontakte zu extremen Bewegungen gehabt", ergänzt die Politikwissenschaftlerin.
Rechte in Finnland gelten als legitimer Partner
Anders als die Rechtspopulisten in Schweden gelten die Rechten in Finnland schon lange als legitimer Koalitionspartner: Ab 2015 regierten sie schon einmal in einer Mitte-Rechts-Regierung mit. Als der wegen Volksverhetzung verurteilte Jussi Halla-aho zwei Jahre später zum Parteichef gewählt wurde, spaltete sich der gemäßigtere Teil der Rechtspopulisten ab. Jungar erklärt: "2017 hat der radikalere Teil der Partei sich durchgesetzt. Und das konnte dank der Legitimität geschehen, die die Partei historisch als Regierungspartei gehabt hat."
Rassismus-Vorwürfe auch gegen stellvertretende Regierungschefin
Halla-ahos Nachfolgerin als Parteichefin, Riikka Purra, ist heute stellvertretende Regierungschefin. Auch gegen sie gibt es Rassismus-Vorwürfe. In einem Blog-Beitrag soll sie 2008 unter anderem indirekt dazu aufgefordert haben, auf Bettler zu spucken und schwarze Kinder zu schlagen.
Heute verteidigt Purra sich mit den Worten: "Vor 15 Jahren war ich eine Privatperson ohne politischen Auftrag. Ich habe die Probleme mit der Einwanderung besprochen, wie eine Bürgerin das Recht dazu hat." Damit gebe es kein Problem. Es sei klar, dass sie in ihrer jetzigen Funktion "keine Wörter wie diese" benutze, so Purra.
Nach Reue klingt das nicht, meint auch Finnland-Expertin Jungar. Sie stellt die Frage, ob die Partei der Finnen keine besseren Minister haben - welche, die weniger Leichen im Keller haben, wie sie sagt.
Oder ist es eine ausdrückliche Provokation, mit der man zeigen will: Das sind wir und wir stehen für diese Werte?
Rassismus kein Thema bei Parteitag
Bei ihrem Parteitag am Wochenende sehen die Rechtspopulisten keinen Grund, über Rassismus zu sprechen: Es gebe wichtigere Probleme, sagt Parteisekretär Arto Luukkanen dem finnischen Rundfunk. Und diese Einstellung bringt Ministerpräsident Orpo in Bedrängnis. Denn während er verzweifelt versucht, die Regierung zusammenzuhalten, sehen die Rechtspopulisten das Problem erst gar nicht. Und die Wählerinnen und Wähler strafen das Bündnis in Meinungsumfragen bereits ab.
Das schadet vor allem Orpo und seiner Partei, sagt Jungar: "Wenn die Regierung zerbricht, riskieren die Konservativen, die neu gewonnene Regierungsmacht zu verlieren, und es könnte eine linkere Regierung geben." Deshalb glaubt Jungar, "dass man versucht, sich durchzuwursteln und diese Situation in den Griff zu kriegen". Fragt sich, ob das gelingt - und was es für den Einfluss der Rechten in Finnland bedeutet.