Krise in Katalonien Puigdemont verschiebt Unabhängigkeit
Katalonien wird die Unabhängigkeit von Spanien vorerst nicht ausrufen. Das sagte der Chef der Regionalregierung, Puigdemont, im katalanischen Parlament. Er setze auf Verhandlungen mit Madrid, um die Krise beizulegen. Das spanische Kabinett setzte eine Dringlichkeitssitzung an.
Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont hat die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens untermauert, eine Abspaltung von Spanien aber noch nicht explizit ausgerufen. "Ich bitte das Parlament, dass es die Unabhängigkeitserklärung aussetzt, damit in den kommenden Wochen ein Dialog in Gang gesetzt werden kann", sagte Puigdemont in einer Rede vor dem Regionalparlament in Barcelona. Im Anschluss an seine Rede unterzeichneten Puigdemont und weitere Abgeordnete des katalanischen Regionalparlaments eine Unabhängigkeitserklärung, in der auch der Aufschub verzeichnet wurde.
Die katalanische Bevölkerung habe sich bei dem Referendum am 1. Oktober für eine Unabhängigkeit ausgesprochen - und daran wolle man auch festhalten. Doch weil "wir der Überzeugung sind, dass wir in der jetzigen Situation nicht zu einem gemeinsamen Beschluss kommen können, wollen wir diesen Schritt nicht gehen". Damit hat der Chef der Regionalregierung eine weitere Zuspitzung der Krise - und möglicherweise seine eigene Festnahme - vorerst vermieden.
Puigdemonts Rede war mit Spannung erwartet worden.
Die an der katalanischen Regierungskoalition beteiligte Linkspartei CUP kritisierte die Rede Puigdemonts - sie forderte eine Unabhängigkeitserklärung. Ihre Partei sei der Meinung, "dass heute der Tag war, um feierlich eine katalanische Republik auszurufen", sagte die CUP-Abgeordnete Anna Gabriel vor dem Regionalparlament in Barcelona. Mit Puigdemonts Bitte um einen Aufschub "haben wir wahrscheinlich eine Gelegenheit verpasst", fügte die Politikerin hinzu.
Rede auf Großleinwänden
Puigdemonts Rede wurde auf Großleinwänden in der Stadt übertragen, Tausende Menschen verfolgten sie in den Straßen und auf öffentlichen Plätzen. Die Polizei hatte zuvor bereits die Sicherheitsvorkehrungen in ganz Barcelona verschärft. Sie sperrte das Gelände um das Regionalparlament ab. Auch vor anderen öffentlichen Gebäuden, wie Flughäfen und Bahnstationen wurden Ordnungshüter postiert.
Kritik an Madrid
Zugleich kritisierte Puigdemont die Zentralregierung in Madrid scharf. Diese habe jeden Versuch des Dialogs von Seiten Kataloniens abgelehnt: "Die Antwort war immer eine radikale und absolute Weigerung, kombiniert mit einer Verfolgung der katalanischen Institutionen", sagte Puigdemont. An alle Spanier gerichtet fügte er hinzu: "Wir sind keine Verbrecher, keine Verrückten, keine Putschisten."
Die Reaktion aus Madrid kam umgehend: Man weise die Erklärung des katalanischen Regionalpräsidenten scharf zurück, erklärte ein Regierungssprecher. Die "implizite" Erklärung der Unabhängigkeit Kataloniens sei "unzulässig". Das spanische Kabinett setzte für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung an.
Am Mittwoch spricht Rajoy
Ministerpräsident Mariano Rajoy wollte am Mittwochnachmittag vor der Abgeordnetenkammer in Madrid Stellung zu Puigdemonts Aussagen beziehen. Bislang lehnt seine konservative Regierung sowohl die Unabhängigkeit als auch einen Dialog oder eine Vermittlung darüber strikt ab.
Kritik aus Brüssel
Auch EU-Politiker reagierten besorgt auf die Rede Puigdemonts. "Wir fordern dringend einen Dialog auf Grundlage der spanischen Verfassung", erklärte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, der CSU-Politiker Manfred Weber. Die Rechtsstaatlichkeit müsse respektiert werden. Auch der Chef der Grünen im Europa-Parlament, Reinhard Bütikofer, äußerte Kritik: "Der katalanische Regierungschef hat statt der offenen Konfrontation einen politischen Schwindel gewählt. Das ist der Trick eines Hasardeurs, der eigentlich mit seinem Latein am Ende ist." Solange Puigdemont nicht redlicher handele, könne es doch noch zur Explosion kommen, meinte Bütikofer.
Zahlreiche Menschen verfolgten die Rede von Carles Puigdemont auf Leinwänden.