Premier Modi zu Kaschmir Touristen statt Terroristen?
Mit der Aberkennung der Autonomie Kaschmirs haben zuletzt die Spannungen zugenommen. Nun hat Premier Modi das Vorgehen Indiens gerechtfertigt - und der Region eine blühende Zukunft versprochen. Aus Pakistan kommen versöhnliche Worte.
Bollywood-Filme und Touristen statt Terrorismus und Separatismus: Der indische Premierminister Narendra Modi hat die umstrittene Aberkennung der Autonomie-Regelung der indischen Kaschmir-Region verteidigt. In einer 40-minütigen Rede sagte er, der neue Status würde mehr Investitionen, wirtschaftliche Entwicklung und Frieden bringen. Die Region könne ein beliebter Ort für Bollywood-Film-Drehs und eine populäre Touristenregion werden.
"Dieser Sonderstatus für Kaschmir hat die Zukunft unserer Kinder zerstört, und hat niemanden etwas gebracht. Im Gegenteil, er hat zu Terrorismus geführt, zu Aufständen und zur Korruption. Mehr als 40.000 unschuldige Menschen sind in den letzten drei Jahrzehnten hier ums Leben gekommen. Aber nun wird die Zukunft in Kaschmir sicher sein."
Ausgangssperre und massive Militärpräsenz
Drei Tage zuvor hat die indische Regierung per Dekret den Artikel 370 der Verfassung gestrichen. Damit ist der Autonomiestatus der Region Jammu und Kaschmir Vergangenheit. Die überwiegend muslimische Bevölkerung war weder informiert noch gefragt worden.
Zehntausende indische Soldaten kontrollieren das Himalaya-Gebiet, auch um Proteste gegen die Regierungsentscheidung zu verhindern.
Es gilt eine Ausgangssperre. Internet und Telefon sind seit Sonntagabend gesperrt. Aktivisten berichten von Hunderten Festnahmen von Lokalpolitikern und Separatistenführern und deren Helfern. Polizisten und Soldaten würden jeden Einzelnen auf der Straße aufhalten, schilderte Mehraj Ahmed aus der Stadt Srinagar die Lage vor Ort:
"Kaum jemand traut sich auf die Straße, das ist mehr als eine Sperrstunde, die Leute werden zu Hause gefangen gehalten. Ich glaube, die Situation hier wird immer schlechter. Es fühlt sich an, als wären wir kurz davor, dass Kaschmir brennt. Was immer die indische Regierung für uns getan hat, für uns kam nie etwas Gutes dabei heraus.“
Kriegsgefahr scheint gebannt
Zumindest die Gefahr einer militärischen Konfrontation mit dem Nachbarn Pakistan scheint gesunken. Pakistans Außenminister Shah Mehmood Qureshi schloss das am Donnerstag aus. "Eine militärische Reaktion prüfen wir nicht", sagte er. Man prüfe aber politische, diplomatische und rechtliche Optionen.
Demonstranten im pakistanischen Teil Kaschmirs sind empört: Eine Puppe mit einem gehenkten indischen Premierminister.
Indiens Premier Modi hat Pakistan in seiner Ansprache vorgeworfen, den bisherigen Sonderstatus ausgenutzt zu haben, um Terrorismus in der Region, zu fördern. Die Erzfeinde streiten sich seit mehr als 70 Jahren um das Gebiet. Beide Atommächte beherrschen jeweils einen Teil von Kaschmir, ein weiterer Teil gehört zu China.
Assimilierung als Regierungsziel?
Im indischen Teil kommt es immer wieder zu Gewalt zwischen Separatisten, die eine Abspaltung von Indien wollen, und Sicherheitskräften. Indien wirft Pakistan vor, islamistische Kämpfer im indischen Teil Kaschmirs zu unterstützen. Islamabad bestreitet dies.
Mit der Neuregelung will Neu-Delhi die mehrheitlich von Muslimen bewohnte Region stärker in das mehrheitlich hinduistische Indien integrieren. Die bisherige Autonomieregelung hat der indischen Kaschmir-Region unter anderem eine eigene Verfassung und Flagge sowie weitgehende Kompetenzen zugesichert. Allerdings mit Ausnahme einer eigenen Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Telekommunikation.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, rief beide Seiten zu "absoluter Zurückhaltung" auf - und kritisierte Indien. Ein begrenzter Zugang zur Region von indischer Seite könne sich negativ auf die Menschenrechtslage dort auswirken, sagte Guterres.
Mit Informationen von Bernd Musch-Borowska, ARD-Studio Neu-Dehli