Johnson in Belfast Kühler Empfang in Nordirland
Für Johnson war der Antrittsbesuch in Nordirland wohl der heikelste. Der Brexit trifft die Insel besonders hart. Entsprechend Sorgen bereitet das No-Deal-Szenario - was der neue Premier zu spüren bekam.
Seit zweieinhalb Jahren ist Nordirland ohne Regionalregierung. "Das müssen wir so schnell wie möglich ändern, wir müssen in Stormont, dem Parlamentssitz in Belfast, eine Regierung auf die Beine stellen und zum Laufen bringen", sagt Boris Johnson. Aber das ist leichter gesagt als getan und mit purem Optimismus schon gar nicht zu bewerkstelligen.
Nordirland ist die dritte und letzte Station des neuen Premierministers bei seiner Antrittsreise durch das Vereinigte Königreich. Und wahrscheinlich auch die komplizierteste: Die Grenze zwischen der Republik Irland und dem britischen Nordirland ist einer der schwierigsten Knackpunkte beim Brexit. Denn mit dem Austritt entsteht hier eine EU-Außengrenze. Den Backstop, der die Grenze offen lassen soll, lehnt die neue britische Regierung ab.
"Rhetorik herunterschrauben"
Für Arlene Foster, die Chefin der nordirischen DUP, ist völlig klar, warum es in der Frage nicht vorangeht: "Die irische Regierung in Dublin und auch Brüssel müssen ihre Rhetorik herunterschrauben und gewillt sein, ein Abkommen zu finden - nicht nur für Großbritannien, sondern auch für die Republik Irland und ganz Europa."
Im Unterhaus in London sind die regierenden Konservativen abhängig von den zehn Abgeordneten der DUP, um überhaupt eine knappe Mehrheit zustande zu bringen. Die DUP will unter allen Umständen vermeiden, dass nach dem Brexit für Nordirland andere Regeln gelten als für den Rest Großbritanniens.
Pro-britische DUP appelliert an EU
Foster fordert von der EU mehr guten Willen: "Das No-Deal-Szenario liegt nur auf dem Tisch, weil die EU sehr streitlustig ist und statt eines für alle Seiten guten Abkommens ein Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs wünscht. Daran sollte sich selbstverständlich kein britischer Premierminister beteiligen."
Eigentlich sollen in Belfast die früheren Bürgerkriegsgegner gemeinsam und selbständig eine Regierung bilden. So steht es im Karfreitagsabkommen. London übernimmt eine Mittlerrolle.
Mary Lou McDonald von der irisch-republikanischen Sinn Fein sagt: So lange sich Boris Johnson von der anderen Seite, nämlich der DUP, unterstützen lasse, gehe das gar nicht. Johnson habe gesagt, dass er absolut unparteiisch handeln werde. Aber das glaube ihm niemand. Das Abkommen zwischen den Tories und der DUP im Londoner Unterhaus habe das Klima in Belfast vergiftet, sagt McDonald. Sinn Fein habe Johnson geraten, sich nicht zum Handlanger der DUP zu machen. Er müsse aufhören, sie zu verhätscheln.
Aufbruchstimmung Fehlanzeige
Johnson äußerte sich nach den Treffen in Belfast nicht mehr. Seit einer Woche ist der neue Regierungschef nun im Amt, aber eine Aufbruchstimmung ist im Land nicht zu spüren. Die Automobilindustrie meldet, dass die Produktion im vergangenen Halbjahr um 20 Prozent zurückgegangen ist. Das Pfund notierte am Dienstag so tief wie seit März 2017 nicht mehr.