Jemen vor der Spaltung Schiiten gegen Sunniten
Bewaffnete politische Machtkämpfe sind im Jemen nichts Neues. Nun aber steuert das Land auf eine religiöse Eskalation zu, auf einen Kampf zwischen Schiiten und Sunniten. Heute will der UN-Sicherheitsrat über die Lage beraten.
Die verheerenden Attentate in Jemens Hauptstadt Sanaa richteten sich gegen Moscheen, die vorwiegend von schiitischen Houthi-Rebellen besucht werden. Tawfik Al Humairi von den Huthi-Rebellen behauptet, hinter den Anschlägen würde der geflohene Präsident Mansour Hadi stecken. "Hadi verbündet sich mit den IS-Extremisten sowie mit Al Kaida", sagte er in der britischen BBC."Wir, die Huthi-Bewegung, sind doch die, die den Extremismus bekämpfen. Aber Mansur Hadi lässt sich von den Extremisten beschützen."
Die schiitischen Huthi-Rebellen konnten in den vergangenen Monaten große Teile des Landes einnehmen. Sie kontrollieren inzwischen neun von 21 Provinzen, inklusive der Hauptstadt Sanaa. Der international anerkannte Präsident Hadi floh daraufhin in den Süden, in die Hafenstadt Aden. Dort verbünde er sich, so die Version der Houthi-Rebellen, mit Terroristen, um die Rebellen zu bekämpfen.
Der in den Südjemen geflohene Präsident Mansur Hadi hat die Hafenstadt Aden zur neuen offiziellen Hauptstadt des zerrissenen Landes erklärt. Aden werde "vorübergehend" die bisherige Hauptstadt Sanaa ablösen, sagte Hadi in einer Fernsehansprache.
Sanaa wird seit Monaten von schiitischen Huthi-Rebellen kontrolliert. Hadi sowie mehrere Regierungsmitglieder waren von den Aufständischen Mitte Januar dort unter Hausarrest gestellt worden. Ende Februar konnte Hadi aus Sanaa ins südlich gelegene Aden fliehen. Von dort aus versucht er, die Macht über den Jemen wiederzuerlangen.
Aden ist die zweitgrößte Stadt des Jemens und war einst Hauptstadt des sozialistisch geführten Südjemens, der 1990 in den von Sanaa aus regierten Nordjemen integriert wurde. In einem folgenden Bürgerkrieg hatte der Süden vergeblich um seine erneute Unabhängigkeit gekämpft. Nun steht der Jemen erneut kurz vor einem Bürgerkrieg. Die Botschaften der USA, Deutschlands und anderer Staaten sind seit Februar geschlossen. Die USA zogen ihre letzten Soldaten ab.
Die Spaltung vertieft sich
Der Politologe Salman Al Hakim vermutete gegenüber dem Fernsehsender Al Arabia genau das Gegenteil. "Der frühere Präsident Ali Abdallah Saleh mache gemeinsame Sache mit den Rebellen, um das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Die Anschläge sollen als Vorwand dafür dienen, um seinen Nachfolger Hadi bekämpfen zu können."
Das alles ist verwirrend. Es macht vor allem eines deutlich: Die Spaltung des Landes vertieft sich. Wer immer hinter den Anschlägen steckt, er könnte hauptsächlich eines im Sinn gehabt haben, nämlich dass wilde Spekulation und Misstrauen die Stimmung weiter vergiften.
Die Schiiten des Jemen hätten den Sunniten des Landes immer relativ nahe gestanden, erklärt Tarek Abul Saad, ein ägyptischer Extremismus-Experte. Sie hätten durchaus gut zusammengelebt. Eine konfessionelle Eskalation, wie man sie im Irak erlebe, war bislang für den Jemen eher nicht prägend.
Der "Islamische Staat" profitiert
Möglicherweise war dies den Attentätern und ihren Hintermännern ein Dorn im Auge. Der Jemen wurde in den vergangenen Jahren überwiegend von politischen Machtkämpfen zerrüttet, die auch mit Waffengewalt ausgetragen wurden. Mit den Anschlägen hat er sich einen Schritt weiter in Richtung des überregionalen Konfliktes zwischen Sunniten und Schiiten bewegt.
"Die Terroristen haben sich für die jüngsten Angriffe schiitische Moscheen ausgesucht", sagt Abul Saad. "Das ist eindeutig eine konfessionelle Eskalation, die dem Fanatismus Auftrieb verleiht. Aus einem machtpolitischen Problem wird ein unlösbares religiöses Problem."
Da ist es am Ende schon fast zweitrangig, ob der "Islamische Staat" tatsächlich hinter den Anschlägen steckt. Er wird auf jeden Fall versuchen, von der neuen Situation zu profitieren und sein Aktionsgebiet auf den Jemen auszuweiten.