Juncker und Preiß
Interview

Kommissionschef Juncker zum Iran Kritik - mit dem Feingefühl der EU

Stand: 05.01.2018 21:46 Uhr

EU-Kommissionschef Juncker weist Vorwürfe zurück, die Europäische Union würde sich nicht klar genug auf die Seite der Demonstranten im Iran stellen. Im Interview mit tagesschau.de fällt seine Kritik an Teheran dennoch gemäßigt aus. Auch zu den USA äußert er sich.

tagesschau.de: Seit Tagen gibt es im Iran Demonstrationen. Der Sicherheitsrat beschäftigt sich mit dem Thema. Warum stellt sich die EU in diesem Konflikt nicht deutlich auf die Seite derjenigen, die derzeit in Teheran auf die Straße gehen?

Juncker: Die Außenbeauftragte der Europäischen Kommission und der Europäischen Union, Federica Mogherini, hat den Standpunkt ganz klar gemacht: Wir sind dafür - wie könnten wir eigentlich dagegen sein -, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung im Iran voll umfänglich respektiert wird. Wir sind der Auffassung, dass es einen Dialog braucht zwischen auseinander strebenden Kräften, die es im Iran zu beobachten gibt. Und wir hoffen, dass die Vernunft obsiegt.

tagesschau.de: US-Präsident Trump fordert einen Wechsel im Iran. Halten Sie das, was die USA machen, für falsch?

Juncker: Diplomatie ist die Kunst des Feingefühls.

tagesschau.de: Fühlen sich die Leute, die da demonstrieren, nicht ein bisschen allein gelassen?

Juncker: Das würde ich so nicht sagen. Wenn wir zum Ausdruck bringen, dass wir das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt sehen wollen, dass wir dem Prinzip der Gewaltlosigkeit sehr anhängen, dann ist das doch ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir die Art und Weise, wie einige im Iran auf diese Krise reagieren, nicht gutheißen können.

Ein Demonstrant im Iran schwenkt eine riesige iranische Flagge während einer Demonstration von Regierungsanhängern.

Ein Demonstrant schwenkt eine riesige iranische Flagge während einer Demonstration von Regierungsanhängern.

tagesschau.de: Haben Sie konkrete Erwartungen, wie sich die Regierung in Teheran verhalten soll?

Juncker: Erstmal muss man zu Kenntnis nehmen, dass die Demonstrationen zugelassen werden und dass die führenden Politiker im Iran auch zum Ausdruck gebracht haben, dass jeder das Recht auf Meinungsäußerung hat. Das war vor Jahren nicht so. Es tagt der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Alles Weitere wird von der Beschlusslage abhängen, die danach eingetreten sein wird.

tagesschau.de: Was auch mit reinspielt, ist der Atomdeal mit dem Iran. Der wurde unter starker Beteiligung der EU ausgehandelt und wird von den USA infrage gestellt. Muss man darüber neu reden?

Juncker: Nein. Wir sind der Auffassung dass dieser Atomdeal - so wird er ja genannt - in Gänze zur Anwendung gebracht werden muss. Wir sehen keine Notwendigkeit nachzuverhandeln.

tagesschau.de: Und um das zu sichern, halten Sie sich zurück, die Demonstrationen zu kommentieren, zu kritisieren beziehungsweise denen den Rücken zu stärken?

Juncker: Ja, wir kritisieren ja die Demonstranten nicht. Wir sagen nur, dass gewaltlos demonstriert werden muss und dass die staatliche Reaktion auf diese Demonstrationen ebenso gewaltlos sein muss.

tagesschau.de: Ist denn die Regierung im Iran eine, die die Menschenrechte respektiert?

Juncker: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschenrechte in Gänze respektiert würden vom Iran. Das Justizsystem ist nicht so geartet, wie wir denken, dass Justizsysteme geartet sein müssten. Pressefreiheit ist ein relativer Begriff. Im Iran - leider nicht nur im Iran -  ist Internet-Zugang nicht so geregelt wie in älteren Demokratie üblich. Über all dies muss man mit unseren iranischen Kollegen reden.

Demonstrantin im Iran reckt die Fast in die Höhe

Eine Demonstrantin im Iran reckt die Faust in die Höhe.

tagesschau.de: Macht es Ihnen Sorgen, dass es wieder ein Politikfeld gibt, auf dem die Außenpolitik der EU und der USA auseinander laufen?

Juncker: Es hat nie einen Zeitpunkt gegeben, wo die Außenpolitik der USA und der Europäischen Union linear und parallel verlaufen. Es hat immer außenpolitische Konflikte und Reibungspunkte gegeben. Die Zahl derer hat sich in den vergangenen Jahren, im vergangenen Jahr vermehrt. Darüber befinden wir uns regelmäßig im Gespräch mit unseren amerikanischen Freunden.

tagesschau.de: Ist das ein Problem?

Juncker: Es ist ein Problem, wenn die Zahl der Punkte sich weiter nach oben bewegen würde, in denen wir nicht zu einer gemeinsamen Haltung kommen.

tagesschau.de: Sind Sie bereit, im Fall Iran auch eine aktivere Rolle einzunehmen?

Juncker: Man muss die Ereignisse sehr genau beobachten, ohne den Eindruck zu erwecken, sich von außen in ungebührlicher Art und Weise in die inneren Angelegenheiten des Iran einzumischen. Da wird man sehr genau prüfen müssen, welche Einflussnahme die Europäische Union haben kann.

Das Interview führte Markus Preiß, ARD Brüssel

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 05. Januar 2018 um 20:00 Uhr.