Pläne für EU-Referendum Camerons hochriskantes Pokerspiel
Großbritannien raus aus der EU? Premier Cameron und seine Konservativen machen mit EU-kritischen Tönen Wahlkampf. Das ist riskant. Bei der Wahl am 7. Mai entscheiden die Briten daher auch über ein Referendum zur EU-Mitgliedschaft.
Die Beziehung der Briten zu Europa war und ist - gelinde gesagt - kompliziert und distanziert, verdichtet in der Schlagzeile der "Times" aus dem Jahr 1957: "Schwerer Nebel über dem Ärmelkanal - Kontinent abgeschnitten". Es gibt sie aber tatsächlich: Briten, die der EU freundlich gesinnt sind - so wie Janet, die in einem Londoner Krankenhaus arbeitet: "Ich finde, Europa ist eine gute Sache. Die Regulierung hat viel Positives bewirkt, etwa für Arbeitnehmer. Sicher, manchmal schießt Brüssel mit seinen Direktiven über das Ziel hinaus. Aber alles in allem ist die EU sinnvoll, und wir sollten Mitglied bleiben."
Doch die Haltung vieler Briten zur EU ist ambivalent. Eric aus Cambridge zum Beispiel findet, das europäische Projekt sei ausgeufert: "Es ist eine Schande, wie sich die EU entwickelt hat: Ursprünglich ging es mal um den Handel. Natürlich wollen wir Handel treiben mit Europa, keine Frage. Aber der EU geht es inzwischen um viel mehr, um die politische Einheit des ganzen Kontinents - und das funktioniert einfach nicht."
Cameron will "besseren Deal" für Großbritannien
EU-kritisch ist auch der konservative Premierminister David Cameron, der sich bei seinen europäischen Partnern reichlich unbeliebt gemacht hat: mit seinem Veto gegen das EU-Budget, seinem Stänkern gegen die Nominierung von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident, seinem Wutanfall wegen der britischen Beitragsnachzahlung. Und nun will dieser britische Pokerspieler auch noch ein EU-Referendum abhalten. Die Bürger sollen entscheiden: drin bleiben in der EU oder sie verlassen. "Wir werden für unsere nationalen Interessen kämpfen - und ja, wir werden ein Referendum abhalten. Drinbleiben oder raus - es wird Ihre Entscheidung sein. Nur mit den Konservativen werden Sie diese Wahl haben."
Camerons Fahrplan: Er will die EU rasch reformieren, einen "besseren Deal" für Großbritannien herausholen und dann in zwei Jahren das Referendum abhalten. Camerons Ziel: das Land in einer reformierten EU zu halten. Versprochen hat er das Referendum überhaupt nur, weil ihn seine eigenen Tory-Hinterbänkler, vor allem aber die europakritische Partei UKIP, unter Druck setzen.
UKIP-Chef fordert Referendum sofort
Deren Parteichef Nigel Farage gebärdet sich im Wahlkampf - wieder einmal - als größter EU-Feind der Nation: "Wir sind die einzige Partei, die an Großbritannien glaubt - daran, dass wir uns selbst regieren könnten und sollten, unsere eigenen Gesetze verabschieden, unsere eigenen Handelsabkommen schließen. Wir brauchen das EU-Referendum, damit wir unser Land endlich befreien aus dieser Union!" UKIP-Chef Farage fordert: keine Verhandlungen mit Brüssel, sondern ein Referendum sofort.
Auch in der Labour Party - der größten Oppositionspartei - gibt es einige, die einen solchen Volksentscheid befürworten: entweder, weil sie raus wollen aus der EU. Oder weil sie das Thema endlich vom Tisch haben wollen. Aber Labour-Chef Ed Miliband positioniert sich im Wahlkampf gegen ein Referendum. Er werde die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens und das Wohl der Wirtschaft nicht aufs Spiel setzen: Es könnte nichts Schlimmeres für das Land oder das großartige Exportgeschäft geben, als politische Spiele mit der EU-Mitgliedschaft zu spielen, sagt er.
Die Stimmen der Schotten
Sollte Labour-Mann Miliband zum Regieren auf die Stimmen der schottischen Nationalisten angewiesen sein, wird ein Referendum noch unwahrscheinlicher, denn die Scottish National Party (SNP) ist äußerst EU-freundlich. Gleiches gilt für die Liberaldemokraten. Die aber würden sich - bei einer Neuauflage der Koalition mit den Konservativen - die Zustimmung zum Referendum wohl abkaufen lassen, durch Zugeständnisse an anderer Stelle.
Würden die Briten heute entscheiden über die Mitgliedschaft ihres Landes in der EU: Dann wären - nach einer Umfrage des Instituts YouGov - 46 Prozent für einen Verbleib und 36 Prozent für einen Austritt. Der Rest ist unentschieden. Ein Stimmungsbarometer, das unterstreicht: Mit seinem versprochenen Referendum spielt Cameron auf volles Risiko.