Geplantes NGO-Gesetz Hofreiter sieht EU-Beitritt Georgiens gefährdet
Georgien rückt trotz anhaltender Proteste näher an die Umsetzung des geplanten NGO-Gesetzes heran. Der Grünen-Politiker Hofreiter ruft zur Rücknahme der Pläne auf und stellt Georgiens Status als EU-Kandidat infrage.
Die Regierung Georgiens will ein Gesetz zur verschärften Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen durchsetzen. Sollte der Gesetzentwurf tatsächlich alle Hürden passieren, müsste das Land aus Sicht des Grünen-Politikers Anton Hofreiter um seinen möglichen Beitritt in die EU fürchten.
"Mit dem sogenannten Agentengesetz kann Georgien nicht Teil der EU werden", betonte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Hofreiter bezog sich mit seiner Aussage nicht nur auf das geplante NGO-Gesetz. Auch das geplante Gesetz zur Beschneidung der Rechte von Homosexuellen sei genauso EU-rechtswidrig. "In Georgien steht die Demokratie auf dem Spiel", warnte Hofreiter.
Kritiker sehen Parallelen zu Russland
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in Georgien tätige Nichtregierungsorganisationen, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, sich behördlich registrieren lassen und ihre Einkünfte offenlegen müssen. Zahlreiche Organisationen, die sich für die Stärkung der Demokratie in der ehemaligen Sowjetrepublik einsetzen, werden finanziell von EU-Staaten und durch die USA unterstützt.
Kritiker werfen der Regierung vor, durch das Gesetz den Einfluss mutmaßlich regierungskritischer NGOs beschneiden zu wollen. Experten sehen Parallelen zu dem Ende 2020 nochmals verschärften Gesetz gegen "ausländische Agenten" in Russland. Durch das Gesetz müssen sich dort sowohl Organisationen als auch Einzelpersonen im Staatsregister eintragen lassen, wenn sie sich mit politischen oder militärischen Themen beschäftigen und wenn sie Geld oder andere Hilfen aus dem Ausland bekommen.
Dritte Parlamentsabstimmung in rund zwei Wochen geplant
Das georgische Parlament hatte dem umstrittenen Entwurf am Mittwoch in zweiter Lesung zugestimmt. Die notwendige dritte Lesung soll laut Regierungschef Irakli Kobachidse in rund zwei Wochen folgen. Es wird erwartet, dass Präsidentin Salome Surabischwili ihr Veto gegen die Regelungen einlegt. Dieses Veto könnte aber mit einer Mehrheit des Parlaments überstimmt werden.
"Es gibt noch ein Zeitfenster, um Einfluss zu nehmen", appellierte Grünen-Politiker Hofreiter an andere EU-Staaten. Diese müssten nun deutlich machen, "dass das Verhalten der georgischen Regierung nicht geht - und sie müssen darauf drängen, den Einfluss von Oligarchen zu begrenzen". Die EU müsse "die 80 Prozent der georgischen Bevölkerung, die für den EU-Beitritt sind, unterstützen".
Auch der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk rief Georgiens Regierung dazu auf, das geplante Gesetz mit dem Namen "Über die Transparenz ausländischer Einflussnahme" fallen zu lassen und stattdessen "in den Dialog einzutreten, vor allem mit der Zivilgesellschaft und den Medien". Durch das Gesetz werde Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhielten, unterstellt, "im Interesse einer ausländischen Macht zu handeln", hieß es in einer Mitteilung Türks. Eine solche Aussage bedrohe das Recht auf Meinungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit.
Erneut protestieren Tausende Menschen gegen Gesetzentwurf
Bereits seit Wochen gehen in Georgien Tausende gegen das geplante Gesetz auf die Straße. Auch am Donnerstagabend kamen erneut Tausende Menschen vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis zusammen. Andere versammelten sich am Helden-Platz mit seinem Denkmal für im Krieg gefallene georgische Soldaten.
Die Demonstrierenden besetzten Zugangsstraßen zu dem Platz, sodass zeitweilig der Weg zum Flughafen blockiert war. Die Polizei nahm mehrere Menschen fest und setzte auch Pfefferspray ein. Das wurde mit lauten Rufen beantwortet: "Verräter" skandierten die Protestierenden oder "Russen raus".
In den kommenden Tagen dürfte es in Georgien jedoch zunächst ruhiger werden. Die orthodoxen Osterfeiertage stehen vor der Tür. Aktivisten kündigten an, dass es erst ab dem 7. Mai wieder Protestaktionen geben werde. Für den 11. Mai kündigten sie eine Großdemonstration an.
Mit Informationen von Björn Blaschke, ARD Moskau, zzt. in Tiflis