Gefangenenaustausch mit Russland Freigelassene kommen in Deutschland an
Die ersten Stunden in Freiheit: Zwei Flugzeuge mit Freigelassenen sind laut Berichten auf dem Flughafen Köln/Bonn gelandet. Dort hat Bundeskanzler Scholz sie in Empfang genommen. Insgesamt fünf Deutsche waren Teil des Deals.
Nach dem Gefangenenaustausch zwischen Russland, Belarus und westlichen Ländern sind nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa zwei Flugzeuge mit Freigelassenen auf dem Flughafen Köln/Bonn gelandet.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte die ehemaligen Gefangenen in Empfang genommen. "Alle sind wohlbehalten hier angekommen", sagte der SPD-Politiker. Er habe sich mit den Angekommenen ausführlich unterhalten. "Das war sehr bewegend", sagte Scholz. "Viele haben nicht damit gerechnet, dass das jetzt passiert." Viele hätten um ihre Gesundheit und auch ihr Leben gefürchtet.
Scholz bezeichnete den Austausch als richtige Entscheidung. "Und wenn man da irgendwelche Zweifel hatte, dann verliert man die nach dem Gespräch mit denjenigen, die jetzt in Freiheit sind." Der SPD-Politiker betonte auch, "dass diejenigen, die um ihr Leben fürchten müssen, weil sie sich für Demokratie und Freiheit eingesetzt haben", mit Schutz rechnen könnten. "Das gehört zu unserem Selbstbildnis als demokratische humanistische Gesellschaft dazu", sagte der Kanzler.
Freilassung einzelner Gefangener als schwierige Entscheidung
Den Gefangenenaustausch mit Russland und dessen Partner Belarus bezeichnete Scholz als schwierige Entscheidung, besonders mit Blick auf die Freilassung des zuvor in Deutschland inhaftierten sogenannten Tiergartenmörders Wadim Krassikow.
Russlands Präsident Putin hat an Krassikow besonders großes Interesse. Der Russe war im Dezember 2021 wegen eines Mordes an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin verurteilt worden. Krassikow soll die Tat im Auftrag staatlicher russischer Stellen verübt haben.
"Niemand habe sich diese Entscheidung einfach gemacht", so Scholz. Nach sorgfältiger Beratung und Abwägung habe die Koalition sich gemeinsam dazu entschlossen.
Enttäuschung über Freilassung von Krassikow
Die Angehörigen zeigten sich enttäuscht. Nicht einmal fünf Jahre nach dem Mord sei der von Kreml-Chef Wladimir Putin beauftragte Mörder wieder auf freiem Fuß, erklärten die in Deutschland lebenden Angehörigen des Mordopfers nach Angaben ihrer Anwältin Inga Schulz.
Die Freilassung sei eine niederschmetternde Nachricht gewesen, hieß es weiter. "Einerseits sind wir froh, dass jemandes Leben gerettet wurde. Gleichzeitig sind wir sehr enttäuscht darüber, dass es in der Welt anscheinend kein Gesetz gibt, selbst in Ländern, in denen das Gesetz als oberste Instanz gilt."
Putin: Auszeichnungen für Freigelassene
Der russische Präsident Putin empfing freigelassene Häftlinge am Moskauer Flughafen Wnukowo. "Sie alle werden für staatliche Auszeichnungen nominiert werden", sagte er bei einer Ansprache.
"Wir werden uns wiedersehen und über Ihre Zukunft sprechen. Jetzt möchte ich Sie zu Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland beglückwünschen."
Angehörige reagieren erleichtert
Angehörige der in Russland Verurteilten reagierten erleichtert auf die Freilassungen. "Wir haben es nicht geglaubt und bis zur letzten Minute nichts gewusst", sagte Tatjana Jaschina, die Mutter des freigelassenen russischen Oppositionellen Ilja Jaschin, der Nachrichtenagentur AFP. Nun fühle sie sich müde.
Der 41-Jährige Jaschin war ein Vertrauter des 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow und Freund des in einem russischen Straflager gestorbenen Alexej Nawalny. Ende 2022 war er wegen Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Die Ehefrau des freigekommenen Menschenrechtsaktivisten Oleg Orlow, Tatjana Kasatkina, sagte AFP, sie habe nicht erwartet, dass der Gefangenenaustausch so groß sein werde. "Ich habe den ganzen Tag auf glühenden Kohlen gesessen", sagte sie. "Er hat mich gerade eben erst angerufen und gesagt: 'Weißt Du Bescheid?' und ich sagte 'Ja'!'"
Größter Gefangenenaustausch seit Ende des Kalten Krieges
Russland ließ 16 Gefangene frei, darunter fünf mit deutschem Pass. Dazu zählt auch der in Belarus zum Tode verurteilte und begnadigte Deutsche Rico K.. Die USA erreichten die Freilassung des US-Journalisten Evan Gershkovich und des früheren US-Marinesoldaten Paul Whelan.
Insgesamt umfasst der Austausch dem türkischen Präsidialamt zufolge 26 Personen aus den USA, Deutschland, Polen, Slowenien, Norwegen, Russland und Belarus - es ist der größte Gefangenenaustausch seit dem Ende des Kalten Krieges. Insgesamt 13 Personen sollten demnach nach Deutschland gebracht werden, drei in die USA. Im Gegenzug sollten zehn Personen nach Russland geflogen werden. Offenbar befinden sich unter den 26 Freigelassenen laut dem türkischen Präsidialamt auch zwei Minderjährige.
Biden und Harris empfangen Freigelassene in USA
US-Präsident Joe Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris empfingen in der Nacht (Ortszeit) den US-Journalisten Evan Gershkovich und zwei weitere Freigelassene in den Vereinigten Staaten. Gershkovich, der frühere US-Soldat Paul Whelan und die Journalistin Alsu Kurmasheva wurden auf dem Luftwaffenstützpunkt Joint Base Andrews bei Washington mit Jubel von wartenden Familienangehörigen und Freunden begrüßt. Es fühle sich wundervoll an, sie wieder auf amerikanischem Boden willkommen zu heißen, sagte Biden.
Der US-Präsident unterstrich außerdem seinen besonderen Dank gegenüber Staaten wie Deutschland und Slowenien, die den Gefangenenaustausch durch ihr Mitwirken ermöglicht hätten.