Treibstoffmangel und Angriffe Kliniken in Rafah laut WHO vor dem Aus
Die Lage im südlichen Gazastreifen wird immer kritischer. Über die Grenzübergänge Rafah und Kerem Schalom kommen laut UN keine Hilfsgüter mehr an. Wegen der Angriffe und Treibstoffmangels musste in Rafah bereits eine von drei Kliniken schließen.
Die israelischen Angriffe in Rafah haben laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eines der drei Krankenhäuser der Stadt zur Schließung gezwungen. Man sei sehr besorgt über die Lage, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. Nach seinen Angaben sind bereits 30.000 bis 40.000 Anwohner und Vertriebene aus Sorge vor Angriffen aus Rafah geflohen. 1,4 Millionen Menschen seien aber noch vor Ort.
Tedros kritisierte, dass der Grenzübergang Rafah, über den ein großer Teil der humanitären Hilfe in das Gebiet gebracht wurde, seit Dienstag geschlossen wurde. Es könne seitdem kein Benzin mehr für den Betrieb von Generatoren in Kliniken geliefert werden. Ohne zusätzliches Benzin sei der Betrieb nur noch für drei Tage gesichert. Die WHO beabsichtige aber nicht, sich aus Rafah zurückzuziehen.
Auf der Plattform X kritisierte Tedros den Militäreinsatz in der Stadt. Dieser schränke "unsere Möglichkeiten weiter ein, Tausende von Menschen zu erreichen, die unter katastrophalen Bedingungen leben", schrieb er. "Dies muss jetzt aufhören."
Geburtsklinik stoppt Aufnahme von Patientinnen
Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, stoppte die wichtigste Geburtsklinik in Rafah die Aufnahme neuer Patientinnen. Dies habe die Verwaltung des Emirati-Krankenhauses telefonisch bestätigt. Als Gründe wurden die fortwährenden Angriffe der israelischen Armee und die Treibstoffknappheit genannt.
Israel hatte am Dienstag Panzer nach Rafah geschickt und auf der palästinensischen Seite die Kontrolle über den Grenzübergang zu Ägypten übernommen. Am Mittwoch setzte die israelische Armee ihre Angriffe auf Rafah fort, während in der ägyptischen Hauptstadt Kairo im Beisein von Vertretern der israelischen Seite und der Hamas über eine Feuerpause im Gazastreifen verhandelt wurde.
Unklare Lage in Kerem Schalom
Unklar ist auch die Lage am wichtigen Grenzübergang Kerem Schalom. Trotz der israelischen Ankündigung zur Öffnung des Übergangs sind nach Angaben der Vereinten Nationen bisher keine Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert worden. Dies sagte Sprecher Stéphane Dujarric in New York. Auf Fragen, was die Lieferungen aufhalte, ging er nicht im Detail ein. Auch über den Grenzübergang Rafah sei keine Hilfe in den Gazastreifen gekommen.
Israel hatte den Übergang Kerem Schalom für humanitäre Transporte am Sonntag nach einem Raketenangriff der Terrororganisation Hamas geschlossen. Bei dem Angriff waren vier israelische Soldaten getötet worden. Erst am Mittwoch hatte Israel erklärt, der Grenzübergang sei für die Lieferung von Hilfsgütern wieder geöffnet worden.
Die für Palästinenserangelegenheiten zuständige israelische Behörde Cogat veröffentlichte dazu ein Video, in dem zu sehen war, wie Lastwagen mit Hilfsgütern in den Grenzbereich einfahren und die Hilfsgüter dort auch entladen wurden.
Normalerweise müssen palästinensische Fahrer die Waren von der anderen Seite des Grenzübergangs abholen und sie zu den Verteilungsorten im Gazastreifen fahren. Das könnte nicht passiert sein, weil viele Palästinenser nach dem militärischen Vorstoß Israels aus der Gegend geflohen waren.
Auch am Mittwoch beschoss der militärische Hamas-Arm den Grenzübergang. Die Kassam-Brigaden teilten mit, sie hätten Raketen auf israelische Truppen in Kerem Schalom gefeuert. Nach Angaben der israelischen Armee gab es in dem Ort Raketenalarm.
Gespräche zwischen Israel und USA
Die Nachrichtenagentur AFP berichtet unter Berufung auf israelische Regierungskreise unterdessen, Israel und die USA hätten eine Unterbrechung der israelischen Angriffe auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens diskutiert.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und der Chef des US-Geheimdienstes CIA, Bill Burns, hätten in Jerusalem über die "Möglichkeit" einer Kampfpause in Rafah im Austausch für die Freilassung von Geiseln durch die militant-islamistische Hamas gesprochen, sagte ein Regierungsvertreter demnach.
Die USA sind Israels wichtigster Unterstützer, hatten sich aber zuletzt wiederholt kritisch über das israelische Vorgehen im Gazastreifen geäußert. Wegen der israelischen Offensive in Rafah setzte Washington sogar eine geplante Waffenlieferung an Israel aus.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel vom 7. Oktober ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.