Gewalt in Libyen Empörung hält an, Sanktionen kommen später
Nach der EU haben auch die USA Sanktionen gegen Libyen angekündigt. In New York tagt der UN-Sicherheitsrat - das Gremium will vermutlich im Laufe des Tages Sanktionen beschließen. Libyens UN-Botschafter richtete einen dramatischen Appell an die Weltgemeinschaft.
Angesichts des blutigen Vorgehens gegen Demonstranten in Libyen wächst der Druck auf Machthaber Muammar al Gaddafi: US-Präsident Barak Obama unterzeichnete am späten Abend eine Anordnung, die den Finanztransfer mit Libyen einschränkt. Obama betonte, die Sanktionen hätten seien ausschließlich gegen das Gaddafi-Regime gerichtet und sollten das Eigentum des libyschen Volkes schützen.
Das Weiße Haus kündigte zudem an, dass der US-Geheimdienst nach Hinweisen für "Gewalt" oder "Gräueltaten" durch Gaddafis Regierung suche. "Die Vereinigten Staaten verpflichten sich, die volle Bandbreite ihrer Fähigkeiten zu nutzen, um das Verhalten des Gaddafi-Regimes zu beobachten", erklärte US-Regierungssprecher Jay Carney. Eine Rücktrittsforderung gegen Gaddafi sprach er aber explizit nicht aus. Dies sei die Angelegenheit des libyschen Volkes, sagte er. Indes haben die USA die amerikanische Botschaft in Libyen geschlossen. Alle Botschaftsangehörige sollen bis zum Abend per Schiff oder Flugzeug Tripolis verlassen haben, meldet die Presseagentur AP.
Noch nicht auf Sanktionen festgelegt
Gut eine Woche nach Ausbruch der Revolte verständigten sich auch die EU-Mitglieder prinzipiell auf ein Sanktionspaket. Geplant sind ein Waffenembargo und ein Lieferverbot für Güter, die zur Repression eingesetzt werden. Das verlautete aus Brüsseler EU-Kreisen und dem Auswärtigen Amt in Berlin. Die Vermögen der Herrscherfamilie sollen eingefroren, Einreisesperren gegen den Clan verhängt werden. Ein formaler Beschluss soll Anfang nächster Woche gefasst werden.
"Das Massaker muss enden"
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn kritisierte das lange Zögern der EU, bevor sich die Mitgliedsstaaten auf Maßnahmen einigen konnte. "Das wichtigste ist, dass dieses Massaker jetzt endet", sagte er zu tagesschau.de. "Das Sperren der Konten von Mittätern ist wichtig, aber zu diesem Zeitpunkt nicht ausreichend. Die EU muss sich geschlossen und mit Nachdruck bei den Vereinten Nationen für ein Waffenembargo einsetzen, denn nur die UN besitzt legitimierte Handlungsfähigkeit" sagte Asselborn, der sich derzeit in Kairo aufhält. Außerdem müssten Maßnahmen getroffen werden damit keine weiteren Söldner, weder per Schiff noch per Flugzeug, ins Land gelangen.
Libysche Diplomaten distanzieren sich von Gaddafi
Unterdessen kehren immer mehr libysche Diplomaten Gaddafi den Rücken. Nachdem die Botschafter Libyens in Frankreich und Jordanien ihre Posten bereits aufgegeben hatten, traten nun auch die Botschafter in Schweden und Portugal, sowie Diplomaten bei der UNESCO und der Arabischen Liga zurück.
Am Nachmittag hatte sich das gesamte Personal der libyschen Vertretung bei den Vereinten Nationen in Genf von Gaddafi losgesagt. Der zweite Sekretär der libyschen Vertretung, Adel Schaltut, sagte in Genf: "Wir in der libyschen Mission haben ins kategorisch dazu entschlossen, als Repräsentanten des libyschen Volkes und seines freien Willens zu dienen. Wir vertreten nur das libysche Volk."
Der UN-Menschenrechtsrat empfahl die Suspendierung Libyens aus dem Gremium und eine Untersuchung der Gewalt gegen Demonstranten in dem nordafrikanischen Land angeordnet. Auf seiner Dringlichkeitssitzung verurteilte der Rat zu dem das Ausmaß der Gewalt, mit dem Gaddafi gegen die Protestbewegung vorgehe. Über die Suspendierung Libyens entscheidet endgültig die UN-Vollversammlung, benötigt wird dafür eine Zweidrittelmehrheit.
Angeblich tausende Tote in Libyen
Der libysche Vizebotschafter bei den Vereinten Nationen sprach derweil von tausenden Toten bei den Protesten in seinem Land. Ibrahim Dabbaschi sagte während einer Pressekonferenz in New York, die Zahl der während der Proteste gegen Gaddafi getöteten Menschen gehe in die tausenden und nicht in die hunderte. Bisher gingen Menschenrechtsorganisationen von mehreren hundert Toten aus.
UN-Sicherheitsrat berät über Sanktionen
Auch in New York berät der UN-Sicherheitsrat über mögliche Sanktionen gegen die Gaddafi-Regierung, diese sollen vermutlich noch heute beschlossen werden. In einem emotionalen Appell bat Libyens UN-Botschafter Abdulraman Shalgham das Gremium um Sanktionen gegen Gaddafi gebeten. Der Rat möge "echte Entscheidungen treffen, damit das Blutvergießen in unserem Land aufhört", sagte Shalgham von Gefühlen übermannt bei einer Krisensitzung in New York.
Frankreich und Großbritannien wollen ein Waffenembargo und finanzielle Sanktionen durchsetzen. Zudem bitten sie den Internationalen Strafgerichtshof, die libysche Führung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Die USA wollen sich außerdem für die Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen einsetzen, um Luftangriffe auf Zivilisten zu verhindern.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und Ashton äußerten sich dazu zurückhaltend. Rasmussen erklärte, für eine Flugverbotszone sei eine weitreichende Rechtsgrundlage notwendig. Ashton sagte, dies sei äußert kompliziert umzusetzen. "Was auch immer wir tun, muss wirksam sein und schnell wirken, um die Gewalt zu stoppen", sagte Ashton beim EU-Verteidigungsministertreffen in Budapest.
Kein militärischer Einsatz geplant
Unterdessen gestalten sich die Evakuierungen aus Libyen weiter schwierig. Im Moment gebe es allerdings keine Diskussion über einen militärischen Einsatz, teilte EU-Außenbeauftragte Ashton in Gödöllö mit. Demnach hielten sich am Donnerstag noch zwischen 2000 und 3000 EU-Bürger in dem nordafrikanischen Land auf, das sich am Rande eines Bürgerkriegs befindet. Diplomaten sagten am Rande des Treffens, es sei nicht geplant, eine gemeinsame europäische Evakuierungsaktion für Libyen ins Leben zu rufen. Es sei vereinbart worden, "staatenweise" vorzugehen.
Bundesaußenminister Westerwelle teilte mit, der angekündigte Einsatz deutscher Kriegsschiffe vor der Küste Libyens diene "ausschließlich dem Zweck, unsere Staatsangehörigen außer Landes zu bringen", sagte der Minister. Er sprach von einer "außerordentlich gefährlichen Lage".