Gewalt in Libyen Empörung hält an, Sanktionen kommen später
Die Beratungen über den Umgang mit Libyen angesichts der Gewalt gegen Demonstranten laufen auf Hochtouren: Die EU könnte nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt in der kommenden Woche ein Maßnahmenpaket verabschieden. Auch der UN-Sicherheitsrat erwägt Sanktionen, die NATO berief eine Dringlichkeitssitzung ein.
Die EU könnte offenbar in Kürze Sanktionen gegen Libyen verhängen. Das Auswärtige Amt rechne damit, dass der formale Beschluss Anfang nächster Woche erfolge, melden die Nachrichtenagenturen Reuters und DPA. Hingegen verlautete in Brüssel aus diplomatischen Kreisen, eine Entscheidung werde wohl erst im Laufe der Woche fallen.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat vorgeschlagen, Einreisesperren gegen die libysche Herrscherfamilie, sowie ein Embargo für Lieferungen von Waffen und Güter zu verhängen, die zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Außerdem soll in der EU das Vermögen der Gaddafi-Familie gesperrt werden. Auch Italien hat nach Westerwelles Angaben keine Einwände mehr gegen Strafmaßnahmen gegen Libyen.
Westerwelle: "Sanktionen sind unvermeidbar"
Bereits am Vormittag hatte Westerwelle die internationale Staatengemeinschaft zu Sanktionen gegen die Führung in Libyen gedrängt. Diese seien angesichts der erheblichen Menschenrechtsverletzungen in dem Land unvermeidbar, sagte Westerwelle im Deutschlandfunk. Für wirtschaftliche Sanktionen wie den Stopp von Ölimporten sei es zu früh. "Denn wir wollen ja die Herrscherfamilie treffen und nicht das Volk", sagte er.
Auch UN-Sicherheitsrat berät über Waffenembargo
Angesichts der Gewalt in Libyen gibt es heute gleich an mehreren Orten Treffen der verschiedenen internationalen Gremien. In New York berät der UN-Sicherheitsrat über mögliche Sanktionen gegen die Gaddafi-Regierung. Als konkrete Maßnahmen kämen etwa Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögen, ein Waffenembargo oder ein Flugverbot über libysches Gebiet infrage.
Dringlichkeitssitzung des Nordatlantikrats
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen trifft im ungarischen Gödöllö nahe Budapest mit den EU-Verteidigungsministern zusammen; für den Nachmittag berief er in Brüssel eine Dringlichkeitssitzung des Nordatlantikrats, dem höchsten Entscheidungsgremium des Bündnisses, ein. Die NATO sei bereit, als "Koordinator" tätig zu werden, sollten die Mitgliedsländer wegen der Lage in Libyen aktiv werden wollen, sagte er.
In Genf ist der UN-Menschenrechtsrat, dem Libyen seit rund einem Jahr angehört, zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Aufgrund des brutalen Vorgehens der Gaddafi-Regierung gegen die Bevölkerung streben die Europäische Union und die USA an, Libyen aus dem Rat auszuschließen.
Kein militärischer Einsatz geplant
Unterdessen gestalten sich die Evakuierungen aus Libyen weiter schwierig. Im Moment gebe es allerdings keine Diskussion über einen militärischen Einsatz, teilte EU-Außenbeauftragte Ashton in Gödöllö mit. Demnach hielten sich am Donnerstag noch zwischen 2000 und 3000 EU-Bürger in dem nordafrikanischen Land auf, das sich am Rande eines Bürgerkriegs befindet. Diplomaten sagten am Rande des Treffens, es sei nicht geplant, eine gemeinsame europäische Evakuierungsaktion für Libyen ins Leben zu rufen. Es sei vereinbart worden, "staatenweise" vorzugehen.
Bundesaußenminister Westerwelle teilte mit, der angekündigte Einsatz deutscher Kriegsschiffe vor der Küste Libyens diene "ausschließlich dem Zweck, unsere Staatsangehörigen außer Landes zu bringen", sagte der Minister. Er sprach von einer "außerordentlich gefährlichen Lage".
Großbritannien will Gaddafi-Vermögen einfrieren
Nachdem die Schweiz bereits gestern mit sofortiger Wirkung das Vermögen des libyschen Staatschefs und seines Umfeldes sperrte, will auch Großbritannien Gaddafis Vermögen sperren. Das berichtete die britische Zeitung "Telegraph". Die Finanzbehörden hätten eine Einheit gebildet, um entsprechende Güter und Konten aufzuspüren. Dem Blatt zufolge wird Gaddafis Vermögen in Großbritannien auf 20 Milliarden Pfund (23,5 Milliarden Euro) geschätzt.