Beratungen in Genf, New York, Brüssel und Gödöllö Mit Sanktionen gegen die Gewalt?
Die Beratungen über den Umgang mit Libyen angesichts der Gewalt gegen Demonstranten laufen auf Hochtouren: Der UN-Sicherheitsrat erwägt Sanktionen, die NATO berief eine Dringlichkeitssitzung ein und die EU arbeitet mit Hochdruck an einem Maßnahmenpaket. Eine Evakuierungsaktion aller EU-Länder sei aber nicht geplant.
Angesichts der Gewalt in Libyen gibt es heute gleich an mehreren Orten Beratungen der verschiedenen internationalen Gremien, wie weiter mit Libyen verfahren werden soll. In New York berät der UN-Sicherheitsrat über mögliche Sanktionen gegen die Gaddafi-Regierung. Als konkrete Maßnahmen kämen etwa Reiseverbote, das Einfrieren von Vermögen, ein Waffenembargo oder ein Flugverbot über libysches Gebiet infrage.
Im ungarischen Gödöllö nahe Budapest treffen sich die EU-Verteidigungsminister zu einem informellen Rat. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte am Rande dessen, die EU müsse sicherstellen, dass sie "so viel Druck wie möglich" ausübe, um die Gewalt in Libyen zu stoppen. In der Diskussion sind demnach Kontensperrungen und Reiseverbote für die libysche Führungsriege um Machthaber Muammar el Gaddafi. Über die Sanktionen solle nun "so schnell wie möglich" beraten werden. Die EU-Staaten hatten sich bereits am Mittwoch im Grundsatz darauf geeinigt, die libysche Führung mit Sanktionen zu belegen.
Dringlichkeitssitzung des Nordatlantikrats
Auch NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen trifft in Gödöllö mit den EU-Verteidigungsministern zusammen; für den Nachmittag berief er in Brüssel eine Dringlichkeitssitzung des Nordatlantikrats, dem höchsten Entscheidungsgremium des Bündnisses, ein. Die NATO sei bereit, als "Koordinator" tätig zu werden, sollten die Mitgliedsländer wegen der Lage in Libyen aktiv werden wollen, sagte er.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle drängte die internationale Staatengemeinschaft bereits zuvor zu Sanktionen gegen die Führung in Libyen. Diese seien angesichts der erheblichen Menschenrechtsverletzungen in dem Land unvermeidbar, sagte Westerwelle im Deutschlandfunk. Er forderte Einreisesperren für die Familie Gaddafi sowie die Einfrierung von deren Vermögen im Ausland. Für wirtschaftliche Sanktionen wie den Stopp von Ölimporten sei es zu früh. "Denn wir wollen ja die Herrscherfamilie treffen und nicht das Volk", sagte er.
Auch in Genf gibt es Gespräche: Dort ist der UN-Menschenrechtsrat, dem Libyen seit rund einem Jahr angehört, zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Aufgrund des brutalen Vorgehens der Gaddafi-Regierung gegen die Bevölkerung streben die Europäische Union und die USA an, Libyen aus dem Rat auszuschließen.
Kein militärischer Einsatz geplant
Unterdessen gestalten sich die Evakuierungen aus Libyen weiter schwierig. Im Moment gebe es allerdings keine Diskussion über einen militärischen Einsatz, teilte EU-Außenbeauftragte Ashton in Gödöllö mit. Demnach hielten sich am Donnerstag noch zwischen 2000 und 3000 EU-Bürger in dem nordafrikanischen Land auf, das sich am Rande eines Bürgerkriegs befindet. Diplomaten sagten am Rande des Treffens, es sei nicht geplant, eine gemeinsame europäische Evakuierungsaktion für Libyen ins Leben zu rufen. Es sei vereinbart worden, "staatenweise" vorzugehen.
Bundesaußenminister Westerwelle teilte mit, der angekündigte Einsatz deutscher Kriegsschiffe vor der Küste Libyens diene "ausschließlich dem Zweck, unsere Staatsangehörigen außer Landes zu bringen", sagte der Minister. Er sprach von einer "außerordentlich gefährlichen Lage".
Großbritannien will Gaddafi-Vermögen einfrieren
Nachdem die Schweiz bereits gestern mit sofortiger Wirkung das Vermögen des libyschen Staatschefs und seines Umfeldes sperrte, will auch Großbritannien Gaddafis Vermögen sperren. Das berichtete die britische Zeitung "Telegraph". Die Finanzbehörden hätten eine Einheit gebildet, um entsprechende Güter und Konten aufzuspüren. Dem Blatt zufolge wird Gaddafis Vermögen in Großbritannien auf 20 Milliarden Pfund (23,5 Milliarden Euro) geschätzt.