EU-Kommissar Frattini will 19 Fluggastdaten speichern "Terrorbekämpfung" oder "Datensammelwut"?
Bis zu 19 verschiedene Fluggastdaten will die EU künftig jahrelang speichern. Ungeachtet der Kritik von Datenschützern und aus den Parlamenten stellte EU-Kommissar Frattini seine Pläne dazu vor. Er sprach von einem wichtigen Schritt zur Terrorbekämpfung, Gegner von "Datensammelwut".
Im Kampf gegen den Terrorismus nimmt die EU-Kommission nach dem Vorbild der USA erstmals Flugpassagiere ins Visier. Ein europaweites System zur Auswertung von Fluggastdaten ist Kernstück eines "Anti-Terror-Pakets", das EU-Innenkommissar Franco Frattini in Brüssel vorstellte. Damit sollen Sicherheitsbehörden wie der deutsche Verfassungschutz spätestens ab 2011 Zugriff auf 19 persönliche Daten von Flugreisenden haben. Zudem soll auch das Anwerben und Trainieren für terroristische Anschläge unter Strafe gestellt werden und explosive Stoffe schwerer zugänglich gemacht werden.
Das Sammeln und Auswerten von Fluggastdaten sei ein "wichtiges Instrument, um die Reisen von Terroristen zu überwachen und geplante Anschläge zu verhindern", erklärte Frattini. Zu den 19 Daten zählen die persönliche Anschrift und die E-Mail-Adresse des Reisenden sowie die Zahl der Gepäckstücke. Informationen, die Rückschlüsse etwa auf die Religionszugehörigkeit oder die ethnische Herkunft zulassen, werden dem Entwurf zufolge nicht erhoben.
Behörden sollen "Risikoprofile" erstellen
Betroffen wären alle Passagiere, die aus Drittstaaten in die EU kommen oder dorthin fliegen. Aus den Daten sollen spezielle Behörden "Risikoprofile" der Reisenden filtern und auffällige Reisemuster erkennen. Die so gewonnenen Informationen gingen dann an die jeweiligen Strafverfolger. Dier Daten sollen 13 Jahre lang gespeichert und zwischen den EU-Staaten ausgetauscht werden können – fünf Jahren sollen sie voll genutzt werden können, danach nur noch bei akuter Gefährdung. Wenn alle EU-Staaten den Plänen zustimmen, müssen sie bis Ende 2010 im nationalen Recht verankert werden. Die USA nutzen die Daten von europäischen Flugreisenden bereits seit 2003. Dort werden sie 15 Jahre lang gespeichert.
Um den europäischen Bürgern die Ängste zu nehmen, dass ihre Daten missbraucht werden, solle noch in diesem Jahr der lange umstrittene europäische Rahmenbeschluss zum Datenschutz verabschiedet werden, versprach Frattini: "Wir wollen mit diesen Vorschlägen nicht das Schutzniveau für persönliche Daten senken. Aber wir wollen den Behörden ein neues Instrument an die Hand geben – und nicht das einzige Instrument, um zu ermitteln und um Terrorismus und schwere internationale Verbrechen verhindern und bekämpfen zu können." Für das Sammeln der Fluggastdaten hatte sich auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble stark gemacht.
Kritik aus Europaparlament und Bundestag
Europa-Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen kritisierten Frattinis Pläne. "Der Vorschlag der EU-Kommission geht eindeutig zu weit", sagte der SPD-Innenpolitiker Wolfgang Kreissl-Dörfler. Cem Özdemir von den Grünen sprach von einem weiteren "Schritt in den Überwachungsstaat". Alexander Alvaro von der FDP forderte mehr Schutzvorschriften gegen einen Missbrauch der Angaben.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar kritisierte, mit den Kommissionsplänen werde praktisch jeder Flugreisende zum Verdächtigen erklärt. Auch die Oppositionsparteien im Bundestag kritisierten die Pläne der EU. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Ernst Burgbacher, warnte vor einem weiteren Schritt zu einer flächendeckenden Überwachung. "Offensichtlich hat die Datensammelwut nun auch in Europa um sich gegriffen." Die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Silke Stokar, kritisierte, dass schon ganz normales Alltagsverhalten dazu führen soll, dass Risikoanalysen über Bürger erstellt und über Jahre gespeichert werden. "Wir sehen die große Gefahr, dass in wenigen Jahren die Datenbanken der Sicherheitsbehörden über die Reisefreiheit des Einzelnen entscheiden", sagte Stokar. Die Fraktionsvize der Linken, Petra Pau, kritisierte ebenfalls scharf die geplante Erfassung: "Der Datenschutz wird Stück für Stück abgeschafft."