Stand der Ratifizierung des EU-Reformvertrags Wackelkandidaten geben Entwarnung
Zum Verfassungstag am 23. Mai möchte Deutschland den neuen EU-Vertrag ratifizieren, doch dazu muss das Grundgesetz geändert werden. Den Weg dazu hat das Kabinett heute freigemacht. Dabei geht es um ein nationales Begleitgesetz, das die Mitspracherechte von Bundestag und Bundesrat in Europafragen regelt - beide sollen in Streitfragen vor dem Europäischen Gerichtshof klagen dürfen.
In den meisten EU-Staaten dürfte der Reformvertrag problemlos gebilligt werden. Auch aus bislang skeptischen Ländern wie Polen und Großbritannien kommen positive Signale. Nun schaut Europa gespannt nach Irland, wo die einzige Volksabstimmung geplant ist.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio Brüssel
Auch von den größten Wackelkandidaten kam jetzt Entwarnung. In Polen entschied das Parlament Ende Februar, dass keine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag angesetzt werden solle. Und auch im britischen Unterhaus gab es vor wenigen Tagen keine Mehrheit für ein Referendum. Alle Befürworter des sogenannten Lissaboner Vertrages atmen auf.
"Spannend wird es in Irland, wo das einzige Referendum stattfindet", sagt der Vorsitzende des Verfassungs-Ausschusses im Europa-Parlament, Jo Leinen. "Das ist immer ein Risiko. Wenn innenpolitisch in Irland etwas schiefläuft, kann das Auswirkungen haben." In Irland muss nach gesetzlicher Vorgabe eine Volksabstimmung durchgeführt werden, die - so wie es aussieht - einzige zum EU-Reformvertrag. Ende Mai oder Anfang Juni soll es dazu kommen.
Irische Regierung hält sich zurück
Irland hat zwar wie kaum ein anderes Land von der Anbindung an die Europäische Union profitiert, aber ein Ja zu diesem Vertrag, der einmal als Verfassungsvertrag umstritten war, ist nicht sicher. Schon ist in Brüssel auch zu hören, dass sich der irische Premier Bertie Ahern noch zu wenig öffentlich für den Vertrag stark mache.
Ähnliche Vorwürfe hatte es 2005 an die Adresse Frankreichs und der Niederlande gegeben, nachdem der ursprüngliche Verfassungs-Vorschlag dort in Volksabstimmungen gescheitert war. Im übrigen weiß man, dass Nichtregierungs-Organisationen aus vielen europäischen Ländern, die den Lissaboner Vertrag aus verschiedensten Gründen ablehnen, ihre Kampagne ganz auf Irland konzentrieren wollen. Sie wissen: Wenn das Vertragswerk in einem der 27 Staaten scheitert, ist er einmal mehr gekippt.
Fünf Länder haben den Lissaboner Vertrag bisher schon ratifiziert: Frankreich, wo es 2005 noch ein Nein gab, wollte jetzt zu den Schnellsten gehören. Ungarn, Malta, Rumänien haben zugestimmt – und das Land der amtierenden EU-Präsidentschaft Slowenien. Bis Ende 2008 müsste das Vertragswerk überall angenommen sein, damit es 2009 in Kraft treten kann.
Angst vor Überraschungen
Der Euro-Parlamentarier Jo Leinen warnt vor bösen Überraschungen: "In der Slowakei wurde die Abstimmung mehrfach verschoben. Dort gibt es eine Blockade, weil die Opposition ein Mediengesetz daran koppeln will. In Italien gibt es Wahlen. In anderen Ländern gibt es knappe Mehrheiten."
In den Parlamenten Tschechiens und Polens scheinen die Mehrheiten gesichert, allerdings müssen die Präsidenten Vaclav Klaus und Lech Kaczynski auch unterschreiben. Beide gelten nicht als glühende Europäer. Die Mehrheit im dänischen Parlament, das demnächst abstimmen will, ist klar. Schweden prüft noch, wie groß die erforderliche Mehrheit im Parlament sein muss.
Macht Deutschland Probleme?
Deutschland würde sein Ratifizierungsverfahren gern bis zum Verfassungstag am 23. Mai abschließen - auch um ein positives Signal jenen Ländern zu geben, die danach abstimmen. Es gibt aber auch Sorgen: Die angekündigte Verfassungsklage des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler steht im Raum. Karlsruhe könnte das Ratifizierungsverfahren ins Stolpern bringen - ausgerechnet in Deutschland.
Auch in Großbritannien, Schweden, Belgien, Spanien, Italien und Zypern stehen die Zustimmungen noch aus. Nach dem Nein der irischen Volksabstimmung ist aber vieles offen.