Ausblick auf neue EU-Ratspräsidentschaft Glücksfall Slowenien?
Es sind schwierige Entscheidungen, die in den kommenen Monaten in der EU anstehen. Da scheint es unpassend, dass nun ausgerechnet das kleine Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat. Doch für die EU könnte sich das in einigen Punkten als Glücksfall erweisen.
Von Irmtraud Richardson, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Ein Volk, das unter Druck gelassen bleibt und umsichtig in seinen Entscheidungen ist, so sehen sich die Slowenen. Gelassenheit und Umsicht - zwei Eigenschaften, die in den kommenden sechs Monaten der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft dringend vonnöten sind. Denn es gilt, im nächsten Halbjahr mehrere politisch heiße Eisen anzupacken. Die sich als Zerreißprobe für die EU erweisen könnten.
Das schwierigste Problem im Bereich der Außenbeziehungen: die Zukunft des Kosovo, der serbischen Provinz, die nach Unabhängigkeit strebt, gegen den massiven Widerstand der Regierung in Belgrad. Die Vereinten Nationen sowie die europäische Union haben sich in den zurückliegenden Monaten um eine friedliche Lösung bemüht - vergebens. Ein Kompromiss wurde nicht gefunden.
Streitpunkt: Kosovo
Jetzt wird die Zeit knapp. Es ist nicht auszuschließen, dass bereits im Januar das Kosovo seine Unabhängigkeit erklärt. Was dann? Die USA und die überwiegende Mehrheit der EU-Staaten sind bereit, ein unabhängiges Kosovo völkerrechtlich anzuerkennen. Allerdings haben vor allem die EU-Mitglieder Zypern und Rumänien noch Bedenken.
Doch für den neuen EU-Ratsvorsitzenden, Sloweniens Außenminister Dimitri Rupel, ist es wichtig, dass die EU in dieser Sache mit einer Stimme spricht. "Wir wollen die Einstimmigkeit in der EU. Und dafür werden wir kämpfen", erklärte er vor kurzem in Brüssel. Zudem will der slowenische Außenminister erreichen, dass eine dauerhafte politische Lösung in enger Absprache mit den Kosovaren gefunden wird. Der Schlüssel zum Erfolg liege in guter Koordination.
1989 verliert das Kosovo seinen Autonomiestatus.
1990 löst Belgrad die Provinzregierung im Kosovo auf, nachdem sich die Kosovo-Albaner unabhängig erklärt hatten. Mehr als 100.000 Menschen werden aus Verwaltung und Betrieben entlassen.
1998 kommt es zu Kämpfen zwischen serbischen Sicherheitskräften und der kosovarischen Untergrundarmee UCK. Viele Albaner fliehen.
1999 fliegt die NATO Luftangriffe gegen serbische Ziele, nachdem internationale Friedensverhandlungen gescheitert sind. Unter dem militärischen Druck zieht der serbische Präsident Milosevic die Truppen zurück. Fortan steht das Kosovo unter UN-Verwaltung.
2006 beginnen in Wien Verhandlungen über den zukünftigen Status des Kosovo.
2007 schlägt der UN-Gesandte Martti Ahtisaari vor, das Kosovo in die "überwachte Unabhängigkeit" zu entlassen. Serbische Enklaven sollen sich weitestgehend selbst verwalten. Während die Albaner den Plan begrüßen, lehnen die Serben ihn ab.
2008 proklamiert das Kosovo-Parlament mit 109 Stimmen bei elf abwesenden Abgeordneten (darunter zehn Serben) auf Grundlage des "Ahtisaari-Plans" einseitig die Unabhängigkeit der Provinz als "Republik Kosovo". Serbiens Staatspräsident Boris Tadic erklärt, sein Land werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die "willkürlich und illegal" proklamierte Unabhängigkeit zu annullieren.
2009 tritt das Kosovo der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds bei. Andere internationale Organisationen, namentlich die UNO, bleiben dem Kosovo dagegen verschlossen.
2010 hält das Land die erste Parlamentswahl seit der Erklärung der Unabhängigkeit ab. Die sozialdemokratische Partei PDK von Ministerpräsident Hashim Thaci erhält die meisten Stimmen, braucht aber Koalitionspartner zur Bildung einer Regierung.
Bereits Ende Januar kommt der erste Test für die angestrebte Einstimmigkeit und Koordination. Dann will Rupel seinen EU-Kollegen einen Aktionsplan für die EU-Polizeimission im Kosovo vorlegen. Es handelt sich dabei um die bislang größte Krisenmission der Europäischen Union. Umstritten ist noch, ob diese durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates völkerrechtlich ausreichend abgesichert ist.
Außerdem setzt sich Slowenien dafür ein, dass alle Staaten auf dem Balkan über kurz oder lang Vollmitglieder in der EU werden - auch Serbien. Das hat Außenminister Rupel im EU-Hauptquartier noch einmal mit Nachdruck betont, ohne jedoch konkrete Termine oder aber einen Zeitplan zu nennen.
Gelassen und umsichtig und ein Balkanland mit wertvollen Kenntnissen der Probleme der Region - es könnte sich für die Europäische Union als Glücksfall erweisen, dass gerade Slowenien die Amtsgeschäfte führt, wenn sich die Zukunft des Kosovo entscheidet.
Streitpunkt: Autoabgase
Und die zwei nationalen Charaktereigenschaften werden sicherlich auch gebraucht, wenn es um EU-internen Streit geht. Der steht an in der Debatte über die neuen Grenzwerte für den Ausstoß des Treibhausgases CO2 bei Autos, die die Europäische Kommission als Teil ihres Klimaschutzgesamtpakets noch kurz vor Weihnachten vorschlug. Da hat es geknallt hinter den verschlossenen Türen der Brüsseler Behörde, es ging alles andere als vorweihnachtlich besinnlich zu. Und dieser Streit wird fortgesetzt im Ministerrat. Die slowenische Ratspräsidentschaft wird wahre Wunder der Diplomatie vollbringen müssen, um die 27 Mitglieder auf eine Linie zu trimmen.
Erste Präsidentschaft für Slowenien
Die Regierung in Ljubljana kann dabei grundsätzlich mit der Unterstützung ihrer EU-Partner rechnen. Denn mit Slowenien übernimmt ja zum ersten Mal eines der "neuen" EU-Mitglieder des Jahres 2004 die Präsidentschaft der Europäischen Union. Und alle wollen, dass diese ein Erfolg wird. Damit nicht der Eindruck entsteht, es gäbe zwei Lager in der EU - die "Alten", die glauben, alles zu können und die "Neuen", die noch immer lernen müssen. Das ist nicht im Interesse einer EU, die in der Welt als vereint und stark wahrgenommen werden will.
Und wenn alles nach Plan läuft, fällt auch die endgültige Ratifizierung des Reformvertrags von Lissabon in die Zeit der slowenischen EU-Präsidentschaft. Dann wäre auch dieses leidvolle Kapitel in der Geschichte der EU - der Streit um die ursprünglich geplante Verfassung - ein für allemal abgeschlossen. Es gibt allerdings zwei Unsicherheitsfaktoren: eine Volksabstimmung in Irland und die Haltung Großbritanniens. Doch Sloweniens Außenminister Rupel ist optimistisch: Man solle den Teufel nicht an die Wand malen, warnt er, die Ratifizierung werde schon überall klappen.