EU-Parlament Einbruchsserie beunruhigt Abgeordnete
Im hoch gesicherten EU-Parlament wurde in den vergangenen Wochen in Dutzende Büros eingebrochen. Unter Verdacht gerät der Sicherheitsdienst - Parlamentarier berichten von merkwürdigen Umständen.
Wenn Nico Semsrott ein Video ins Internet stellt, dann erwarten seine Fans meist bitterbösen Humor. Was der Europaabgeordnete der Satirepartei Die PARTEI aber in dieser Woche zu sagen hatte, das klang durchaus ernst: "Dieses abschließbare Fach im Schreibtisch, das wurde bei mir vor sechs Wochen aufgebrochen. Unter anderem wurde daraus dieser Schlüssel entwendet. Wer auch immer hier eingebrochen ist, hat dann den Schlüssel genommen, diesen Schrank aufgemacht und zwei Laptops entwendet."
Ein Einbruch im Hochsicherheitsbereich - einem Büro im Europaparlament in Brüssel. Und wohl nicht der einzige. Dutzende Abgeordnete berichten von ähnlichen Vorfällen. Laptops, Kameras und Telefone verschwanden während der Corona-Pandemie, als das Parlament zwischenzeitlich fast leer stand.
Verdächtige Umstände
Auch der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling ist betroffen. Was ihn besonders ärgert: Der parlamentseigene Sicherheitsdienst hat weder die anderen Abgeordneten gewarnt, noch scheine er sich besonders viel Mühe bei der Aufklärung zu geben. "Sie haben uns dann eine Mail geschrieben, dass sie eine Investigation haben. Und dass sie der Sache nachgehen, dass jetzt auch mal jemand vorbeikommen wollte." Doch seit einer Woche sei noch keiner gekommen, um sich das Büro anzuschauen. "Also ist bis jetzt noch nichts passiert."
Dabei müssen die Einbrecher eigene Schlüssel gehabt haben, um sich Zutritt zu verschaffen. Das legt nahe, dass sie selbst aus dem Dunstkreis des Parlaments kommen. Überwachungskameras auf den Gängen geben bislang keine Hinweise - laut Parlamentsverwaltung sind sie nicht angeschaltet gewesen. Diese Umstände findet Häusling verdächtig. "Es gibt wohl jemanden, der Schlüssel zu den Büros hat und da ein und aus geht. Das Problem ist wahrscheinlich der Sicherheitsapparat selber. Die Frage, was macht eigentlich unser Sicherheitsdienst beruflich, die stellt sich dann natürlich. Also es ist ernster als man denkt."
Sicherheitsabteilung äußert sich nicht
Für die Sicherheit im Europaparlament ist eine eigene Abteilung zuständig, sie müsste auch aufklären. Die Brüsseler Polizei hat hier keine Befugnisse. Doch die Generaldirektion SAFE äußert sich nicht zu den Vorfällen.
Von der Parlamentsverwaltung kommt ein kurzer Hinweis: Es gebe eine Untersuchung. Eine Parlamentssprecherin sagte dem ARD-Studio Brüssel, man kommentiere darüber hinaus keine Sicherheitsfragen. Auch die Zahl der Fälle bleibt unklar, Abgeordnete sprechen von 50 bis 100 Büroeinbrüchen.
Sensible Daten auf Laptops entwendet
Für den Grünen-Politiker Häusling ist das nicht nur materiell ärgerlich. "Es gibt ja durchaus Kollegen, die mit hochsensiblen Daten und internen Geschichten arbeiten. Und wenn jetzt Laptops weg sind, stellt sich natürlich auch eine Sicherheitsfrage." Viele Kollegen nähmen nun ihre Wertsachen sogar mit in die Mittagspause, sagt Häusling.
Und Nico Semsrott? Er wäre wohl nicht bei der PARTEI, wenn er der ganzen Sache nicht noch eine ironische Drehung geben würde: Er hat seine ganz eigene Diebstahlsicherung entworfen, in Form von Plakaten. Zum Beispiel: "I politely ask you not to rob me", "No stealing" oder "Take only as much as you really need".