"Berlin Prozess" Von Berlin endlich in Richtung EU-Beitritt?
Kanzler Scholz empfängt EU-Vertreter und Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkan-Staaten zum Gipfeltreffen. Im Rahmen des "Berlin Prozesses" sollen sie auf ihrem Weg in die EU unterstützt werden.
In Berlin geht es heute um den Westbalkan. Kanzler Olaf Scholz empfängt zahlreiche Staats- und Regierungschefs und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zum Gipfeltreffen. Der "Berlin-Prozess" ist vor zehn Jahren von Deutschland ins Leben gerufen worden und soll die Westbalkan-Staaten auf ihrem Weg in die Europäische Union unterstützen.
Auch wenn es ein Jubiläumsgipfel ist: So richtig zum Feiern dürfte niemandem zumute sein. Eigentlich sollte der "Berlin-Prozess" für mehr Stabilität auf dem Westbalkan und für eine Annäherung der Länder an die EU sorgen. Doch auch nach zehn Jahren sind die Beteiligten des Prozesses bei zentralen Punkten nicht wirklich vorangekommen.
Nachholbedarf auf beiden Seiten
Schwelende Konflikte - wie zwischen Serbien und dem Kosovo zum Beispiel - brechen immer wieder auf. Die EU sieht mit Sorge, dass Nationalismus wieder auf dem Vormarsch ist und China und Russland ihren Einfluss in der Region ausbauen. Gefordert werden mehr Reformen und ein klares Bekenntnis zu europäischen Werten.
In Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien hingegen fragt sich manch einer, ob der "Berlin-Prozess" vielleicht nur das Trostpflaster ist, weil es mit dem EU-Beitritt eh nichts wird.
Baerbock sieht historische Chance
Frust, den die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nachvollziehen kann. "Es ist über 20 Jahre her, dass die EU den westlichen Balkanstaaten in Thessaloniki ein Versprechen gegeben hat: Die Tür zur EU steht euch offen, wenn ihr die Voraussetzungen erfüllt. Und heute müssen wir einräumen, dass diese Hoffnungen sich nicht erfüllt haben."
Für die deutsche Außenministerin ist das aber kein Grund aufzugeben. Im Gegenteil. Sie sieht gerade jetzt eine historische Chance. Aufgestoßen hat dieses "Fenster der Gelegenheit" ausgerechnet der russische Präsident. Mit seinem Angriff auf die Ukraine.
Wirtschaftliche Zusammenarbeit soll vertieft werden
Die EU-Mitgliedsstaaten seien sich einig, erklärte Baerbock beim "Berlin-Prozess"-Treffen der Außenminister, dass es in Europa keine sicherheitspolitischen Grauzonen geben dürfe. Die Westbalkan-Staaten gehörten zu Europa. Ihr Beitritt schon aus diesem Grund: eine "geopolitische Notwendigkeit."
Umso wichtiger sei es deshalb, mahnte die deutsche Außenministerin, jetzt einen entscheidenden Schritt voranzukommen. Auf dem Jubiläumsgipfel soll der Weg für das Freihandelsabkommen Cefta endlich freigemacht und ein neuer Aktionsplan für einen gemeinsamen regionalen Markt unterzeichnet werden.
Differenzen erschweren die Umsetzung
"Für alle ist klar, dass dieses regionale Freihandelsabkommen Cefta nicht nur eine stärkere wirtschaftliche Integration und einen gemeinsamen regionalen Markt bedeutet, sondern das davon ganz konkret Menschen wie Unternehmen profitieren können", so Baerbock.
Einen gemeinsamen regionalen Markt zu schaffen, gehört mit zu den wichtigsten Projekten dieses Formats. Wie bei vielen anderen Initiativen hapert es allerdings mit der Umsetzung. Auch weil Serbien den Kosovo nicht als Staat anerkennt und in der Zwischenzeit ein Alternativprojekt gestartet hat - gemeinsam mit Albanien und Nordmazedonien.
Jugendaustauschwerk als Vorzeigeprojekt
Beim Außenminister-Treffen vor gut zwei Wochen hatte man die Blockade bei den Cefta-Verhandlungen noch nicht lösen können. Nun aber sei man einen wichtigen Schritt vorangekommen, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Christian Wagner.
"Wir werden jetzt natürlich alles daransetzen, dass dieser Gipfel dann ein guter Gipfel, ein erfolgreicher Gipfel wird." Einer, auf dem natürlich auch über Positives gesprochen werden soll. Als Vorzeigeprojekt gilt das regionale Jugendaustauschwerk, das sich für Aussöhnung auf dem Westbalkan einsetzt.
Praktischer Nutzen für die Menschen in der Region
Eine Rolle spielen werden aber auch Projekte, von denen die Menschen in der Region ganz praktisch profitieren: von einer schrittweisen Abschaffung von Roaminggebühren. Oder von einer gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen, der nun auch die Anerkennung von Universitätsabschlüssen folgen soll.
Schon jetzt ist klar, dass der "Berlin-Prozess" fortgesetzt wird. Offen ist, ob und wann das Format als Erfolg gefeiert werden kann. Das wird maßgeblich davon abhängen, ob Vereinbartes wirklich umgesetzt und Versprechen auch gehalten werden.