Tschechien warnt vor Agenten Keine Reisefreiheit für Russlands Diplomaten?
Russische Diplomaten in der EU können dank Schengenvisum durch Europa reisen. Tschechien warnt, dass russische Geheimdienste diese Reisefreiheit ausnutzen und fordert Beschränkungen.
Die Zahlen, die die tschechische Regierung ins Feld führt, klingen gewaltig. Man wisse, dass sich in Europa mindestens 2.000 russische Diplomaten und Tausende von Familienangehörigen aufhielten, sagt Tschechiens stellvertretender Außenminister Eduard Hulicius. "Es ist kein Geheimnis, dass oft Mitarbeiter von Geheimdiensten unter diplomatischem Schutz agieren."
Wie viele der 2.000 vorgeblichen Diplomaten in Wirklichkeit Agenten sind, darüber gibt es offiziell keine Angaben. Der Vorstoß der Tschechen sieht vor, dass russische Diplomaten künftig nur noch in dem EU-Land arbeiten können, in dem sie auch akkreditiert sind - und eben nicht mehr mit einem Schengenvisum auf dem ganzen Kontinent reisen.
"Bereitschaft zu gewalttätigen Aktionen"
Der Prager Geheimdienst BIS warnt schon lange vor den Aktivitäten russischer Agenten in Europa. "Sie sind auf vielen Feldern sehr aggressiv tätig, ob nun bei der Cybersicherheit oder bei Desinformationen", sagt BIS-Sprecher Ladislav Sticha. "Wir verzeichnen sogar die Bereitschaft zu gewalttätigen Aktionen. Wenn Europa in dieser Sache nicht bald etwas unternimmt, wird es dafür zahlen müssen."
Der tschechische Vorschlag wird inzwischen von vielen EU-Ländern unterstützt. Dänemark, die Niederlande, aber auch die baltischen Länder, Polen und Rumänien befürworten ihn. In Deutschland gibt man sich zurückhaltend. Man wolle verhindern, dass Russland als Reaktion seinerseits Einschränkungen für ausländische Diplomaten erlässt, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Die tschechische Regierung lässt dieses Argument nicht gelten. Es gehe schlicht um gleiche Bedingungen für alle, sagt der stellvertretende Außenminister Hulicius. EU-Diplomaten in Russland könnten nicht nach Kasachstan oder Georgien reisen. "Hier in Europa genießen russische Diplomaten asymmetrische Vorteile, weil sie sich im ganzen Schengenraum frei bewegen können. Das wollen wir einschränken", so Hulicius.
Reisen nur noch im Land der Akkreditierung
Wenn ein russischer Diplomat in Prag akkreditiert sei, fügt Hulicius hinzu, solle er natürlich nach Brünn reisen können, also ans andere Ende von Tschechien, aber eben nicht nach Berlin oder Paris. Das sei keinesfalls Symbolpolitik, heißt es in Prag, sondern es gehe um konkrete Sicherheitsinteressen. Jeder Staat müsse schließlich wissen, wer sich im eigenen Land aufhalte.
Geheimdienstsprecher Sticha sagt: "Wenn auf ihrem Staatsgebiet ein ausländischer Geheimdienst tätig ist, der aus einem Land stammt, das sie als Feind einstuft, dann ist doch klar, dass die Leute nicht auf Urlaubsreise hier sind, sondern dass sie eine Agententätigkeit ausüben." Diese sei in 99 Prozent der Fälle gegen die Sicherheitsinteressen des Landes gerichtet. Dagegen müsse der Staat sich wehren können.
Mit russischen Geheimdienstoperationen hat Tschechien seine Erfahrungen. Schon im Jahr 2014 flog im tschechischen Ort Vrbetice ein Munitionslager in die Luft - ein Lager, von dem aus die Ukraine beliefert werden sollte. Es gab zwei Todesopfer. Tschechische Ermittler fanden heraus, dass der russische Geheimdienst dahinter steckte.
Diplomatischer Schutz
"Tschechien hat nach diesen Enthüllungen Dutzende Geheimdienstmitarbeiter des Landes verwiesen, die hier unter diplomatischer Tarnung agiert haben", erklärt Sticha. Man habe gesehen, wie deutlich in der Folge die russische Agententätigkeit in Tschechien zurückgegangen sei.
In Sicherheitskreisen gilt es als offenes Geheimnis, dass Russland in europäischen Ländern Geheimdienstagenten als Diplomaten akkreditiert, damit sie unter vollem diplomatischen Schutz stehen. Prag stand lange im Mittelpunkt dieser Tätigkeiten. Hier hat Russland noch aus sozialistischen Zeiten ein riesiges Botschaftsgebäude, das als Zentrum der Spionage galt.
Agenten mit Schengenvisum
Die Ausweisung der Agenten vor einigen Jahren allerdings habe die Situation nur kurzfristig verbessert, sagt Sticha. "Im Jahr 2023 haben wir dann festgestellt, dass es an der russischen Botschaft hier bei uns in Prag keine Geheimdienstmitarbeiter mehr gibt, aber dass sie verstärkt aus dem Schengenraum zu uns kommen."
Diese Möglichkeit soll jetzt durch die tschechische Initiative in der gesamten EU eingeschränkt werden, wenn sich ausreichend Unterstützung für den Vorstoß findet.