Symbol des Widerstands gegen Russen Was der Fall von Wuhledar für die Ukraine bedeutet
Nach Jahren erbitterten Widerstands ist das ostukrainische Wuhledar an die russischen Angreifer gefallen. Das hat große symbolische Bedeutung, zeigt aber auch grundsätzliche Probleme der ukrainischen Armee.
Es sei ein Rückzug gewesen, um Mensch und Material zu retten - so begründet das ukrainische Militär den Verlust der Stadt Wuhledar im Osten des Landes. Zweieinhalb Jahre lang hatte Russland in heftigen Kämpfen versucht, den Ort einzunehmen und dabei immer wieder schmerzhafte Verluste erlitten.
Mit Wuhledar fällt deshalb vor allem ein Symbol des ukrainischen Widerstands. Videos zeigen heute die russische Flagge über den Ruinen der Stadt - mehr ist nicht übrig geblieben von Wuhledar. Wie so oft bei Russlands Feldzug in der Ukraine.
Jetzt steige der Druck an anderen Frontabschnitten im Donbas, sagt Beobachter Denis Popowitsch ukrainischen Medien. Der Verlust von Wuhledar bedeute eine zusätzliche Bedrohung für Kurachowe, weil die Siedlungen so nahe beieinander lägen. Vieles werde sich jetzt darauf konzentrieren, weil der Ort ein wichtiger Knotenpunkt sei. Und er wiederum hänge mit Pokrowsk zusammen
Wuhledar wurde durch die Kämpfe weitgehend zerstört.
Russische Truppen dringen weiter Richtung Osten vor
Kurachowe liegt etwa 20 Kilometer weiter nördlich von Wuhledar. Der Rückzug von dort hatte sich lange abgezeichnet. Seit Wochen standen die Überreste der einstigen etwa 15.000-Einwohner-Stadt unter massivem russischen Artilleriefeuer.
Die russischen Truppen rücken im Osten der Ukraine kontinuierlich vor. In den letzten sechs Monaten etwa 30 Kilometer.
Vitali Kononutschenko, Analyst des Online-Mediums Dserkalo Tyschnja, hofft jetzt auf den Winter: "Bevor es kalt wird, werden die Russen vor allem Richtung Kurachowe angreifen. Bevor das Wetter schlecht wird. Das könnte uns wiederum zugutekommen."
In einem Monat breche der Winter an. Die Regenzeit komme vielleicht sogar früher, meint Kononutschenko: "Das wird meiner Meinung nach den Vormarsch des Feindes erheblich verlangsamen."
Karte der Ukraine, schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Ukraine gehen Waffen und Soldaten aus
Einige ukrainische Blogger äußern jedoch Kritik, werfen der ukrainischen Militärführung beim Rückzug aus Wuhledar Fehler vor. Der Fall der einstigen Bergbaustadt zeigt die Probleme der ukrainischen Armee im gesamten Osten des Landes: Es fehlen Soldaten, und es fehlen Waffen.
Zumindest letzteres will die ukrainische Führung jetzt vermehrt im eigenen Land produzieren. Auf einem Treffen der Rüstungsindustrie in Kiew warb Präsident Wolodymyr Selenskyj um Investitionen. Es sei der Ukraine im Krieg gelungen, praktisch eine neue Rüstungsindustrie aufzubauen, sagte er am Montag: "Allein in der ersten Hälfte dieses Jahres hat die Ukraine 25-mal mehr Artilleriemunition und Mörser produziert als im gesamten Jahr 2022."
Trauer um Zehntausende Gefallene
Doch die Nachrichten von der Front sind schlecht. Die Euphorie über die ukrainischen Erfolge bei der Offensive in Kursk schon wieder verflogen. Am Tag des Vaterlandsverteidigers betrauern die Menschen im gesamten Land ihre Toten. Zehntausende sind in den vergangen zweieinhalb Jahren an der Front getötet worden, verschwunden oder in Kriegsgefangenschaft geraten.
Eine 21-Jährige Kiewerin, die ihren Namen nicht nennen will, trauert um ihren Vater:
Ich habe an die schönen Momente gedacht, die ich mit ihm hatte. Wir wollen, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird, damit hier nicht noch mehr Fahnen in Erinnerung aufgestellt werden müssen.