Krieg gegen die Ukraine Folter und Misshandlungen "in großem Umfang"
In der Ukraine sind laut UN-Ermittlern viele Zivilisten in russischer Gefangenschaft misshandelt oder sogar getötet worden. Foltervorwürfe gibt es auch gegen die ukrainische Seite.
Russische Truppen in der Ukraine haben laut Ermittlern der Vereinten Nationen in großem Ausmaß Kriegsverbrechen an gefangen genommenen Zivilisten verübt. Das geht aus einem Bericht über Inhaftierungen von Zivilisten hervor, den das UN-Büro zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine veröffentlicht hat.
Die meisten der Befragten hätten angegeben, gefoltert und misshandelt worden zu sein, sagte Ermittlungschefin Matilda Bogner. Die australische Strafrechtlerin und ihr Team sammelten auch Beweise für die "willkürliche Hinrichtung" von 77 Inhaftierten. "Das ist ein Kriegsverbrechen", sagte Bogner.
864 Fälle von willkürlicher Inhaftierung
Das Büro hat in dem Bericht 864 Fälle von Menschen dokumentiert, die seit Beginn des Krieges im Februar 2022 und bis Mai 2023 von russischer Seite meist in besetzten Gebieten festgenommen wurden. Darunter seien Personen des öffentlichen Lebens, humanitäre Helferinnen und Helfer, Priester, Lehrerinnen und Lehrer gewesen. Fast alle hätten von Folter berichtet, auch Vergewaltigungen soll es gegeben haben. "Die russischen Streitkräfte, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsbehörden haben in großem Umfang zivile Gefangene gefoltert und misshandelt", sagte Bogner.
Misshandlung und Folter auch auf ukrainischer Seite
Auf ukrainischer Seite dokumentierte das Büro 75 Fälle festgenommener Zivilisten. Sie hätten auch mehrheitlich von Misshandlung und Folter berichtet. Russland und die Ukraine verstießen mit den Festnahmen beide gegen internationales Recht, hieß es. Die Ukraine habe zwar Gesetze erlassen, um Festnahmen wegen Verdachts auf Hilfe für den Feind zu ermöglichen. Die Befugnisse gingen aber zu weit.
Wohl mehr Inhaftierungen als bekannt
Von Kämpfern der Wagner-Gruppe, die am Wochenende mit einem später gestoppten bewaffneten Aufstand in Russland Schlagzeilen machten, seien keine Festnahmen von Zivilisten bekannt. Das Büro hatte früher aber über Fälle von Misshandlung und Folter ukrainischer Kriegsgefangener - also Kämpfern - in Wagner-Gewahrsam berichtet. Das Büro zählt nur Fälle, in denen es die Umstände selbst klären konnte.
Die wahren Zahlen der festgehaltenen Zivilisten seien womöglich mehr als doppelt so hoch, sagte Bogner. Ukrainische Behörden hätten mit einer Ausnahme Zugang zu allen Haftanstalten und Gefangenenlagern gewährt und vertrauliche Gespräche mit Gefangenen ermöglicht. Von russischer Seite habe es trotz zahlreicher Anfragen keinerlei Zugang zu gefangenen Zivilisten gegeben. Das Büro hat mehr als 1100 Menschen teils nach ihrer Entlassung gesprochen und 70 Mal ukrainische Gefangenenlager besucht.