Soldaten und Rettungskräfte suchen in den Trümmern einer Kaserne in Mykolajiw nach Opfern.

Krieg gegen die Ukraine Viele Tote bei Angriff auf Kaserne befürchtet

Stand: 19.03.2022 17:33 Uhr

Rund 200 Soldaten sollen in einer Kaserne in der Südukraine geschlafen haben, als russische Bomben die Gebäude zerstörten. Augenzeugen berichten von Dutzenden Toten. Auch in anderen Landesteilen weitet Russland seine Angriffe aus.

Mit heftigem Raketenbeschuss hat Russland seine Militäroffensive in der Ukraine ausgeweitet. Bei einem Luftangriff auf eine Kaserne im südukrainischen Mykolajiw unweit von Odessa wurden Augenzeugen zufolge Dutzende Menschen getötet. "Nicht weniger als 200 Soldaten schliefen in den Baracken", sagte ein 22-jähriger Soldat der Nachrichtenagentur AFP. "Mindestens 50 Leichen wurden aus den Trümmern gezogen, aber wir wissen nicht, wie viele dort noch liegen."

Weiter russische Angriffe in der Ukraine: Einsatz einer Hyperschallrakete

Sabine Krebs, ARD Warschau, tagesschau, tagesschau, 19.03.2022 20:00 Uhr

Der Regionalgouverneur von Mykolajiw, Vitali Kim, sagte in einem auf Facebook veröffentlichten Video, die Russen "führten feige Raketenangriffe auf schlafende Soldaten durch". Er warte auf Informationen über Verluste der ukrainischen Streitkräfte. Der Bürgermeister von Mykolajiw, Oleksij Senkewjtsch, sagte ukrainischen Medien, seine Stadt sei aus der benachbarten, von Russland kontrollierten Region Cherson bombardiert worden. "Die Bombardierung geschieht zu schnell, um sie zu erfassen und das Alarmsystem in Gang zu setzen."

Rund um Mykolajiw kommt es derzeit zu heftigen Kämpfen. Die Stadt gilt als strategisch wichtig, weil sie vor der großen Hafenstadt Odessa liegt. Odessa selbst wurde bislang von Angriffen verschont. Sollten die russischen Truppen auch dort die Kontrolle übernehmen, könnten sie die Ukraine vom Zugang zum Schwarzen Meer abschneiden.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.

Tote auch bei Kiew und in der Region Donezk

Auch in anderen ukrainischen Städten kamen Menschen bei russischen Angriffen ums Leben. In Makariw, 50 Kilometer westlich von Kiew, wurden nach Angaben der ukrainischen Polizei sieben Zivilisten durch Mörserbeschuss getötet. Fünf weitere seien verletzt worden, als das Geschoss eingeschlagen sei, teilte die Polizeibehörde der Region Kiew auf Facebook mit. Mehrere Wohnhäuser seien bei dem Angriff zerstört worden.

In der ostukrainischen Region Donezk sprach die regionale Polizeibehörde von Dutzenden Toten und Verletzten infolge russischer Angriffe. Es seien erneut Wohngebiete beschossen worden, hieß es von ukrainischer Seite. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Kiew wirft Moskau immer wieder vor, in dem am 24. Februar begonnenen Krieg gezielt zivile Gebäude anzugreifen. Russland weist das zurück, auch wenn die Zerstörungen ziviler Infrastruktur augenfällig sind.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Russland setzt offenbar Hyperschallrakete ein

Im Westen der Ukraine setzte das russische Militär eigenen Angaben zufolge erstmals die Hyperschallrakete "Kinschal" im Kampf ein. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Igor Konaschenkow, teilte mit, damit sei ein unterirdisches Munitionsdepot der ukrainischen Luftwaffe in der Region Iwano-Frankiwsk zerstört worden.

Konaschenkow sagte zudem, die russischen Streitkräfte hätten das Schiffsabwehr-Raketensystem "Bastion" eingesetzt, um militärische Einrichtungen nahe Odessa anzugreifen. Dieses Waffensystem hatte Russland erstmals 2016 in Syrien eingesetzt.

Russische Kampfflieger MiG-31, bestückt mit Hyperschallraketen vom Typ "Kischal" (Archiv)

Russische Kampfflieger des Typs MiG-31, bestückt mit "Kinschal"-Hyperschallraketen.

Ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe bestätigte laut ukrainischer Medien den Beschuss des Munitionsdepots in der Region Iwano-Frankiwsk. Er könne aber noch nicht sagen, ob es sich bei der von Russland eingesetzten Rakete tatsächlich um die Hyperschallrakete "Kinschal" gehandelt habe.

Russlands Hyperschallrakete "Kinschal"
Die Hyperschallrakete Ch-47M2 Kinschal ("Dolch") ist einer der furchterregendsten Neuzugänge der russischen Luftwaffe. Die etwa acht Meter langen Raketen fliegen extrem schnell und extrem hoch, bleiben dabei nach russischen Angaben aber manövrierfähig. Sie sind nach Einschätzung der NATO mit herkömmlicher Flug- oder Raketenabwehr kaum abzufangen. AS-24 Killjoy ("Spielverderber") hat das westliche Bündnis die neue russische Waffe getauft.

Präsident Wladimir Putin stellte die "Kinschal"-Raketen als eine von mehreren Superwaffen erstmals im März 2018 in seiner Rede an die Nation öffentlich vor. Bis zu zehnfache Schallgeschwindigkeit sollte die neue Rakete nach seinen Angaben erreichen. Bisher kamen "Kinschal"-Raketen vor allem bei Manövern zum Einsatz - zuletzt wenige Tage vor der Invasion in die Ukraine, die am 24. Februar begann.

Keine Hilfe für ukrainische Truppen in Mariupol

Besonders umkämpft ist weiterhin die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Die dortigen ukrainischen Truppen können nach Einschätzung eines Beraters des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vorerst nicht auf Unterstützung hoffen. Die nächstgelegenen Streitkräfte seien bereits in Kämpfe gegen die "überwältigende Macht des Feindes" in etwa 100 Kilometern Entfernung verwickelt, sagte Olexij Arestowytsch. "Es gibt gegenwärtig keine militärische Lösung für Mariupol."

Russische Truppen griffen zuletzt vor allem eines der größten Stahlwerke Europas in Mariupol an. "Asowstahl" liegt an der Küste des Asowschen Meeres. Das Werk wurde nach ukrainischen Angaben aus der Luft bombardiert.

"So, wie es aussieht, haben wir diesen Wirtschaftsriesen verloren. Eine der größten Fabriken Europas wird tatsächlich zerstört," sagte der Berater des ukrainischen Innenministers, Vadim Denissenko. Die Lage sei katastrophal. Die ukrainischen Streitkräfte versuchten aktuell trotzdem, eine Besetzung des Werksgeländes zu verhindern und die russischen Truppen vom Eindringen in die Stadt abzuhalten. Bislang sollen sie nur einen Bezirk von Mariupol erobert haben.

Christina Nagel, Christina Nagel, ARD Moskau, 19.03.2022 15:28 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 19. März 2022 um 12:00 Uhr.