Krieg gegen die Ukraine Ukraine zerstört offenbar russisches Schiff
Laut ukrainischer Marine haben Streitkräfte im Schwarzmeerhafen Berdjansk nahe Mariupol ein russisches Landungsschiff zerstört. Derweil berichten ausländische Geheimdienste von ukrainischen Geländegewinnen - etwa bei Kiew.
Die ukrainische Marine hat nach eigenen Angaben ein im Hafen von Berdjansk vor Anker liegendes russisches Kriegsschiff zerstört. Auf Facebook veröffentlichte das Militär eine Nahaufnahme des Truppentransporters "Orsk" sowie zwei Fernaufnahmen, auf denen ein in Brand stehendes Schiff im Hafen von Berdjansk zu sehen ist. Ob es sich dabei um die "Orsk" handelt, ist nicht eindeutig erkennbar.
Die "Orsk" hatte laut Marine Schützenpanzerwagen und Ausrüstung nach Berdjansk gebracht. Von russischer Seite gibt es bisher keine Angaben, unabhängig überprüfen lassen sich die Berichte nicht. Die russische Flotte hat im Schwarzmeergebiet Medienberichten zufolge insgesamt sechs derartige Landungsschiffe im Einsatz. Berdjansk ist bereits seit mehr als drei Wochen von russischen Truppen besetzt.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Verstärkte russische Luftoffensive
Zuvor hatte das ukrainische Militär verstärkte Luftangriffe durch die russischen Streitkräfte gemeldet. Binnen 24 Stunden habe man mehr als 250 Einsätze registriert, hieß es in einem Bericht des ukrainischen Generalstabs. Am Vortag seien es 60 weniger gewesen.
Die Hauptziele seien weiterhin Einrichtungen der militärischen und zivilen Infrastruktur in den Gebieten Kiew, Tschernihiw und Charkiw. Moskau beteuert dagegen, nur militärische Ziele anzugreifen. Am Mittwoch seien zudem elf "feindliche Luftziele" getroffen worden, darunter Flugzeuge, ein Hubschrauber und Marschflugkörper.
In den von russischen Truppen besetzten Gebieten "terrorisiere" Russland die Bewohner, die gegen die Besetzung demonstrierten, hieß es weiter. Man setze Einheiten der russischen Nationalgarde ein, um derartige Proteste zu unterbinden. Diese Angaben können nicht unabhängig geprüft werden.
Pentagon: Ukraine verzeichnet Geländegewinne
Indes berichten westliche Militärvertreter von Geländegewinnen der ukrainischen Streitkräfte im Kampf gegen die russischen Angreifer. Der ukrainischen Armee ist es nach Angaben eines Pentagon-Vertreters gelungen, die russischen Truppen im Osten von Kiew binnen 24 Stunden um mehr als 30 Kilometer zurückzudrängen. "Wir sehen, wie sie sich verschanzen und Verteidigungspositionen aufbauen", fügte er hinzu.
Noch am Dienstag hatte das US-Verteidigungsministerium erklärt, die russischen Streitkräfte stünden rund 20 Kilometer vom Zentrum der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Nun sagte der Vertreter, "den Ukrainern ist es gelungen, die Russen 55 Kilometer östlich und nordöstlich von Kiew zurückzudrängen".
Der britische Militärgeheimdienst erklärte, die Ukraine habe "wahrscheinlich Makariw und Moschun" nordwestlich der Hauptstadt zurückerobert. "Es besteht die realistische Möglichkeit, dass die ukrainischen Streitkräfte nun in der Lage sind, russische Einheiten in Butscha und Irpin einzukesseln."
Pentagon: Russland teilweise auf dem Rückzug
Nicht voran kommen die russischen Streitkräfte nach Einschätzung des Pentagon auch in der Umgebung der nördlich von Kiew gelegenen Großstadt Tschernihiw. Dort säßen die russischen Soldaten zehn Kilometer vom Zentrum entfernt fest.
In einigen Bereichen seien die russischen Soldaten zuletzt zurückgewichen. "Sie bewegen sich sogar in die entgegengesetzte Richtung, aber nicht viel", sagte der Ministeriumsvertreter. Mit "sehr, sehr festem" Widerstand der Ukrainer seien die russischen Truppen weiterhin im schwer umkämpften Charkiw im Osten der Ukraine konfrontiert. Dort stünden die russischen Streitkräfte noch 15 bis 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
Weiß schraffiert: Vormarsch der russischen Armee. Grün schraffiert: von Russland unterstützte Separatistengebiete. Krim: von Russland annektiert.
Lage in Mariupol bleibt dramatisch
Dem Pentagon zufolge konzentriert sich die russische Armee inzwischen verstärkt auf die prorussischen Separatistengebiete Luhansk und Donezk. Demnach verfolgt das russische Militär offenbar die Strategie, die entlang der früheren Frontlinie in der Ostukraine stationierten ukrainischen Streitkräfte zu "binden", damit sie "nicht anderswo eingesetzt werden können".
Dramatisch bleibt die Lage in der von russischen Truppen eingekesselten Stadt Mariupol am Asowschen Meer. Wie der Stadtrat auf Telegram mitteilte, würden im größten Krankenhaus der Stadt die Patienten im Keller bei Kerzenlicht behandelt. "Sie versuchen, so viel Treibstoff wie möglich zu sparen, daher werden Dieselgeneratoren nur für komplizierte Operationen verwendet", erklärte der Rat.
Den Angaben nach haben sich neben den Patienten auch bis zu 700 Menschen aus der Umgebung in das Krankenhaus geflüchtet. Nach Angaben der ukrainischen Regierung sind nach wie vor rund 100.000 Menschen in der Stadt gefangen.
Selenskyj fordert "uneingeschränkte Unterstützung"
Angesichts der Lage bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor dem heutigen NATO-Gipfel um "effektive und uneingeschränkte Unterstützung". "Es war ein Monat, in dem wir uns gegen Versuche verteidigt haben, uns zu zerstören, uns vom Antlitz der Erde zu tilgen", so Selenskyj weiter. Man habe länger durchgehalten als Russland erwartet habe. "Aber die russischen Truppen zerstören unsere Städte, töten wahllos Zivilisten, vergewaltigen Frauen, entführen Kinder, erschießen Flüchtlinge, nehmen Hilfskolonnen ein und plündern", sagte er.
Für heute rief er zu weltweiten Protesten gegen die russische Invasion auf. "Geht mit ukrainischen Symbolen auf die Straße, um die Ukraine zu verteidigen, um die Freiheit zu verteidigen, um das Leben zu verteidigen." In den vergangenen Wochen waren bereits Hunderttausende Menschen weltweit gegen den Krieg auf die Straßen gegangen.