Flugabwehr des ukrainischen Militärs Israelische "Patriot"-Systeme für die Ukraine?
Immer wieder drängt die Ukraine auf mehr Flugabwehrsysteme für das eigene Militär. Nun könnten die benötigten Systeme eventuell aus Israel kommen. Führt der Weg über Deutschland oder über andere westliche Verbündete?
Diesmal hat es die ukrainische Stadt Derhachi in der Region Charkiw getroffen. Die Menschen stehen verzweifelt und fassungslos vor den Trümmern ihrer Häuser. "Das war's", ruft Irina und fügt hinzu: "Was soll ich noch sagen - es ist ein Horror."
Russland hat die Stadt am zweiten Mai mit besonders gefürchteten Gleitbomben attackiert. Dabei sollen mindestens acht Kinder verletzt worden sein. Die russischen Angriffe aus der Luft auf ukrainische Zivilisten haben in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen. Besonders betroffen ist auch die südukrainische Stadt Odessa. Dort wurden Häuser zerstört, der Hafen in Brand gesetzt, Menschen kamen ums Leben.
Drei "Patriot"-Systeme für ein ganzes Land
Solches Leid könne verhindert werden, wenn die Ukraine ausreichend Flugabwehrsysteme hätte. Darauf hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder hingewiesen. Auf der Online-Plattform X mahnte er erst kürzlich: "'Patriots' können nur Flugabwehrsysteme genannt werden, wenn sie arbeiten und Leben retten, anstatt ungenutzt irgendwo in Lagern herumzustehen."
Drei "Patriot"-Systeme für das ganze Land hat die Ukraine derzeit: zwei aus Deutschland, eines aus den USA. Und auch, wenn die Bundesregierung jetzt ein weiteres versprochen hat, benötigt die Ukraine laut Selenskyj mindestens sieben davon.
Israel will modernere Systeme anschaffen
Nun tut sich überraschend eine mögliche neue Quelle für Flugabwehrsysteme auf. Denn das israelische Militär hat Anfang der Woche auf seiner Webseite angekündigt, seine eigenen "Patriot"-Systeme komplett außer Dienst zu stellen. Man sei derzeit dabei, "die Batterien zu reduzieren, bis das gesamte System abgeschaltet" sei. Nach Informationen von "The Times of Israel" soll das bereits innerhalb der kommenden zwei Monate passieren. Israel will seine "Patriot"-Systeme - Experten sprechen von sieben Einheiten - durch ein moderneres System ersetzen.
Experten sind allerdings skeptisch, ob Israel die Luftverteidigungssysteme direkt an die Ukraine weitergeben wird, da es sich auch bisher bei möglichen Waffenlieferungen nach Kiew zögerlich gezeigt hatte.
Die Vermutung: Israel will es sich mit Russland nicht verderben, das in Syrien großen Einfluss hat und ohne dessen Einverständnis keine Luftschläge auf iranische Milizen möglich sind. Außerdem hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die Befürchtung geäußert, Israels Waffen könnten über Russland den Iranern in die Hände fallen.
Kauf durch die EU - Lieferung an die Ukraine?
Der Militärexperte und Politikberater, Nico Lange, sieht daher Deutschland und andere europäische Länder in der Pflicht, die außer Dienst gestellten "Patriot"-Systeme von Israel zu erwerben, um sie an die Ukraine weiterzugeben. "Charkiw, Odessa und andere Städte in der Ukraine werden jeden Tag bombardiert. Und wenn jetzt jemand 'Patriot'-Systeme ausmustern will, dann sollten wir die sofort kaufen", fordert Lange. Die Systeme sollten am besten "gar nicht erst ausgepackt", sondern direkt in die Ukraine gebracht werden. Es wäre unverständlich, "wenn wir bei so einer Gelegenheit nicht zugreifen".
Auch die FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Marie Agnes Strack-Zimmermann schließt sich dieser Forderung an.
Sollten die Israelis ihre bisherigen 'Patriot'-Systeme abgeben, dann schreit das geradezu danach, dass die europäischen Staaten diese übernehmen und der Ukraine schnellstmöglich zur Verfügung stellen.
Erst vor einigen Tagen, am ersten Mai, hatte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nochmals an ihre gemeinsame Initiative mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius erinnert. Man wolle "weltweit und natürlich in Europa alles versuchen", um weitere Luftverteidigungssysteme für die Ukraine zu bekommen.
Bundesregierung und Israel schweigen bislang
Wie ernst meint es die Bundesregierung? Gibt es in Berlin bereits Pläne, die israelischen "Patriot"-Systeme für die Ukraine aufzukaufen? Das Bundesverteidigungsministerium will auf Anfrage "zu Zwischenständen im Austausch mit unseren Partnern und Verbündeten grundsätzlich keine Aussage treffen". Das Auswärtige Amt verweist auf das Bundesverteidigungsministerium.
Militärexperte Lange befürchtet mit Blick auf diese vagen Antworten erneut monatelange Verfahren, "wo man die Dinge hin- und herschiebt". Er kritisiert, das Handeln der Bundesregierung entspräche nicht dem Tempo, mit dem Russland in der Ukraine vorgehe. "Durch Zögern und langsames Handeln sterben Menschen, die nicht sterben müssten und werden Städte zerstört, die nicht zerstört werden müssten", mahnt er.
Petition in Israel gestartet
Während die Regierungen in Berlin und Tel Aviv noch schweigen, haben israelische Bürgerinnen und Bürger jetzt eine Petition gestartet, die bereits Hunderte unterzeichnet haben. Sie fordern die direkte Weitergabe der israelischen "Patriot"-Syteme an die Ukraine, "um der zunehmenden terroristischen Bedrohung durch Russland und den Iran zu begegnen". Das - so heißt es in der Petition - wäre auch "ein wichtiger Schritt zur Unterstützung der demokratischen und freiheitlichen Werte in der Welt".