Ukraine-Krieg vor dem IGH Russland glänzt durch Abwesenheit
Es geht um den Verdacht des Völkermords: Vor dem Internationalen Gerichtshof hat die Anhörung zum russischen Überfall auf die Ukraine begonnen. Kiew hatte einen Eilantrag gestellt. Doch Moskau blieb der Verhandlung fern.
Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hat die Anhörung zum russischen Überfall auf die Ukraine begonnen - in Abwesenheit der russischen Seite. Der russische Botschafter in den Niederlanden, Alexander Schulgin, habe dem Gericht mitgeteilt, dass seine Regierung nicht beabsichtige, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, sagte die Vorsitzende Richterin Joan Donoghue. Das Gericht bedauere das.
Der Vertreter der Ukraine am Gerichtshof in Den Haag, Anton Korynewytsch, übte scharfe Kritik an Russland. "Die Tatsache, dass die Sitze Russlands leer bleiben, spricht Bände. Sie sind nicht hier im Gericht, sondern auf einem Schlachtfeld und führen einen aggressiven Krieg gegen mein Land", sagte er.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit?
Zum ersten Mal seit der Invasion in die Ukraine muss sich Russland vor dem höchsten Gericht der Vereinten Nationen wegen der Verletzung der Völkermord-Konvention von 1948 verantworten. Die Regierung in Kiew hatte den Gerichtshof angerufen und Russland die Planung eines Völkermords in der Ukraine vorgeworfen. "Russland verübt Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte Korynevych. "Russland muss gestoppt werden."
Die Regierung in Kiew beantragte einen Gerichtsbeschluss, der Russland zum sofortigen Einstellen der Kampfhandlungen auffordert. Der von Russland für seinen Krieg genannten Grund, in den ostukrainischen Separatistengegenden werde ein Genozid verübt, sei ein manipulierter Vorwand. "Das ist eine schreckliche Lüge Putins", sagte Korynevych. Die Ukraine trägt ihre Argumente heute vor, Russland soll es am Dienstag tun.
Urteil wird binnen weniger Tage erwartet
Wann ein Urteil erfolgt, steht noch nicht fest, es wird aber binnen weniger Tage erwartet. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich Russland an den Beschluss hält. Sollte das Gericht der Ukraine recht geben, werde wahrscheinlich gar nichts passieren, sagte der Militärrechtsprofessor Terry Gill von der Universität Amsterdam. Doch das Gericht besitzt keine Machtmittel, um einen unterlegenen Staat zu zwingen, das Urteil auch umzusetzen.
In dem Fall könne das Gericht zwar den UN-Sicherheitsrat einschalten, doch dort verfüge Russland über ein Vetorecht. Der Ukraine gehe es wohl vor allem darum, Russland diplomatisch unter Druck zu setzen.