Debatte über Kampfpanzer Polen will liefern - und Deutschland?
Mit der Ankündigung Polens, der Ukraine Kampfpanzer liefern zu wollen, erhöht sich der Druck auf Deutschland. Doch in Berlin reagiert man zurückhaltend. Es sei "nicht sehr wahrscheinlich", dass die Bundesregierung von ihrem Nein abrücke.
In der Debatte um die Lieferung westlicher Kampfpanzer an die Ukraine macht Polen Druck. Sein Land habe bereits die Entscheidung getroffen, im Rahmen einer Koalition mit verbündeten Staaten den Ukrainern "Leopard"-Kampfpanzer für eine Kompanie zu überlassen, sagte Präsident Andrzej Duda in der westukrainischen Stadt Lwiw nach einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj und Litauens Präsidenten Gitanas Nauseda.
Nach Angaben eines polnischen Militärexperten umfasst der Begriff Kompanie 14 Kampfpanzer. Duda sagte weiter, Voraussetzung für die Übergabe der "Leopard"-Kampfpanzer sei zum einen "eine ganze Reihe von formalen Anforderungen und Genehmigungen".
Zum anderen wolle Polen, dass sich dafür eine internationale Koalition bilde, bei der auch andere Länder Kampfpanzer "vom Typ 'Leopard' und andere" beisteuern würden. Diese müssten dann zeitnah an die Ukraine überstellt werden, um die Verteidigung des von Russland angegriffenen Landes zu unterstützen.
Selenskyj: "Vielen Dank an Präsident Duda"
Der ukrainische Präsident Selenskyj begrüßte die Initiative Polens. "Vielen Dank an Präsident Duda, die polnische Regierung und alle unsere polnischen Freunde", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache zu den Ergebnissen seines Treffens mit Duda und Nauseda. Panzer aus westlicher Produktion seien "das Werk unserer gesamten Anti-Kriegs-Koalition und eine neue Ebene unseres Potenzials".
Selenskyj dankte seinen Kollegen "für diese weitere Manifestation unveränderlicher und prinzipientreuer Unterstützung für die Ukraine".
Hebestreit: "Derzeit nicht sehr wahrscheinlich"
Deutschland spielt in der Debatte eine Schlüsselrolle, weil die "Leopard 2"-Panzer in Deutschland entwickelt wurden und nicht ohne deutsche Genehmigung an die Ukraine abgegeben werden dürfen.
Doch die Bundesregierung bleibt beim Nein. Regierungssprecher Steffen Hebestreit dämpfte Erwartungen, dass die Bundesregierung ihre ablehnende Haltung zur Lieferung von "Leopard"-Kampfpanzern an die Ukraine in den kommenden Tagen ändern wird.
"Das hielte ich derzeit nicht für sehr wahrscheinlich", sagte er auf die Frage, ob die Bundesregierung ihre Position mit Blick auf das sogenannte Ramstein-Format am 20. Januar ändern werde. Dann werden die westlichen Alliierten erneut beraten, wie sie die Ukraine militärisch unterstützen können.
Es gebe mit der Lieferung von Schützenpanzern durch Deutschland und die USA bereits einen "sehr qualitativ weiteren Schritt", sagte Hebestreit. Man werde nicht vor jedem Ramstein-Treffen neue Schritte beschließen. Vergangenen Donnerstag hatten Kanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden die Lieferung von Schützenpanzern sowie Patriot-Luftabwehrsystemen bekanntgegeben. Frankreich sendet zudem Spähpanzer. Kampfpanzer sind deutlich schwerer bewaffnet und schlagkräftiger als Schützenpanzer.
Der Regierungssprecher betonte, dass ihm keine Anfragen von Partnern bekannt seien, die selbst "Leopard"-Panzer an die Ukraine liefern wollten. An dem Stand habe sich nichts geändert, sagte er zu entsprechenden Presseberichten. Ihm sei auch außer Medienberichten keine Forderungen von Verbündeten bekannt, dass Deutschland selbst "Leopard"-Panzer liefern solle. Es bleibe bei der engen Absprache mit den Verbündeten, vor allem den USA und Frankreich. Auch ein Bericht über die Ankündigung der britischen Regierung, Kampfpanzer liefern zu wollen, ändere daran nichts, betonte er.
Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte Bundeskanzler Scholz auf, die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine auf internationaler Ebene zu steuern. "Kanzler Scholz steht jetzt in der Verantwortung, die Lieferung der Kampfpanzer mit den anderen westlichen Staats- und Regierungschefs zu koordinieren", sagte Hofreiter dem "Tagesspiegel".
London deutet Initiative an
Die britische Regierung deutete in der Debatte eine Initiative an. "Es ist klar, dass Kampfpanzer den Ukrainern entscheidende Fähigkeiten verleihen könnten, und der Premierminister hat Präsident Selenskyj vergangene Woche gesagt, dass Großbritannien zur Verfügung stellen wird, was es kann", sagte ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak vor Journalisten in London. Er sagte zudem, Großbritannien werde seine Unterstützung für Kiew beschleunigen und das Land mit "der Art militärischer Technologie versorgen, die dabei helfen wird, den Krieg zu gewinnen".
Sunak habe Verteidigungsminister Ben Wallace angewiesen, mit den Verbündeten in den kommenden Wochen zusammenzuarbeiten, um zu diskutieren, "wie wir in unserer Unterstützung für die Ukraine weiter und schneller gehen können". Das schließe auch die Lieferung von Panzern mit ein.
Medien hatten zuletzt berichtet, London erwäge die Lieferung von Kampfpanzern des Typs "Challenger 2". Es wäre damit das erste Land, das moderne westliche Kampfpanzer an Kiew zur Abwehr des russischen Angriffskriegs abgibt. Eine finale Entscheidung sei aber noch nicht getroffen worden, betonte der Sprecher. Zu der Frage, ob London mit Berlin Gespräche über die vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj geforderte Lieferung von "Leopard 2"-Panzern führe, wollte er sich nicht äußern.
Stoltenberg: "Noch mehr tun und noch schneller"
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich unterdessen erneut für mehr Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Die jüngsten Kämpfe in der Ostukraine zeigten, "wie entscheidend es ist, dass wir unsere militärische Unterstützung ausbauen", sagte Stoltenberg.
Stoltenberg betonte, die Unterstützung der NATO-Länder mache "in dieser entscheidenden Phase des Krieges einen echten Unterschied". Er rief die Alliierten auf: "Wir müssen noch mehr tun und noch schneller."
Kuleba: "Deutschland wird liefern"
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wirft Deutschland Zögerlichkeit in der Kampfpanzer-Debatte vor. Trotz des Neins der Bundesregierung gehe er fest davon aus, dass Deutschland "Leopard 2"-Panzer liefern werde, sagte Kuleba im tagesschau.de-Interview. "Selbst wenn Deutschland gewisse rationale Argumente dafür haben sollte, es nicht zu tun, wird Deutschland es zu einem späteren Zeitpunkt trotzdem tun", sagte er.
Man habe das bereits bei den Panzerhaubitzen, beim Flugabwehrsystem IRIS-T und zuletzt bei den "Mardern" und "Patriot"-Systemen gesehen. Es sei immer ein ähnliches Muster: "Erst sagen sie Nein, dann verteidigen sie ihre Entscheidung heftig, um am Ende doch Ja zu sagen", so der Minister. Er sehe "keine einzige negative Konsequenz für Deutschland", sollten die "Leopard"-Panzer geliefert werden.
Baerbock: Gemeinsam vorgehen
Außenministerin Annalena Baerbock hatte am Dienstagabend nach ihrem Besuch in der ostukrainischen Stadt Charkiw die Notwendigkeit "weiterer Panzerlieferungen" unterstrichen. Eine Zusage für die von Kiew gewünschten "Leopard"-Kampfpanzer gab sie jedoch nicht.
In den tagesthemen verteidigte die Grünen-Politikerin das Vorgehen der Bundesregierung, sich in der Frage mit den Verbündeten abzustimmen und behutsam vorzugehen. "Auch wenn das Herz einem brennt" sei es wichtig, gemeinsam zu überlegen, wie verantwortungsvolle Schritte gegangen werden könnten. Sie könne verstehen, "wie sehr es drängt", so Baerbock.