Proteste gegen Gewalt gegen Frauen Viele Festnahmen bei Kundgebung in Ankara
Anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt gegen Frauen haben in Ankara zahlreiche Menschen demonstriert. Viele Demonstrierende wurden festgenommen. In anderen Städten in der Türkei wurden die Proteste verboten.
In der Türkei haben die Behörden in mehreren Städten Demonstrationen von Frauen verboten und verhindert. Sie wollten anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt gegen Frauen auf die Straßen gehen.
In Istanbul hatte die Polizei mit massivem Aufgebot die Innenstadt schon am Nachmittag weiträumig abgesperrt. Anwohner kamen erst nach Taschenkontrollen in ihre Wohnungen. Über dem Zentrum kreiste ein Hubschrauber. Selbst in Nebenstraßen bezogen viele Polizisten Stellung. Mehrere U-Bahnhöfe waren gesperrt.
Ein Journalist der Nachrichtenagentur Associated Press sah, wie drei Busse voller festgenommener Demonstranten zu einer nahe gelegenen Polizeistation gebracht wurden.
Festnahmen nach Kundgebungen
Frauenorganisationen hatten zu einer Demonstration ab 19 Uhr Ortszeit aufgerufen. Im vergangenen Jahr durchbrachen einzelne Gruppen auf der Fußgängerzone in der Istikal-Straße Polizeisperren. Das Verbot dieses Jahr begründeten die Behörden mit Sicherheitsmaßnahmen nach dem tödlichen Bombenanschlag in der Straße vor knapp zwei Wochen. Sechs Menschen wurden getötet. Die türkischen Behörden machten militante kurdische Gruppen für den Anschlag verantwortlich, die jedoch eine Beteiligung bestritten.
In einigen Städten haben Frauen dennoch demonstriert. In Ankara etwa waren Kundgebungen, aber keine Märsche zugelassen. Die Frauen riefen die Parole der Protestierenden im Iran: Frau leben Freiheit. Dutzende Demonstrierende wurden festgenommen.
Kritik nach Austritt aus Istanbul-Konvention
Im vergangenen Jahr war die Türkei aus der Istanbul-Konvention des Europarats ausgetreten. Einige Funktionäre von Präsident Erdogans islamisch orientierter Partei hatten argumentiert, die Konvention stehe nicht im Einklang mit den konservativen Werten der Türkei, da sie Scheidungen fördere und die traditionelle Familieneinheit untergrabe. Kritiker behaupteten auch, dass es gleichgeschlechtliche Beziehungen fördere. Den Austritt hatten Frauenrechtsgruppen und westliche Länder scharf kritisiert.
Höhere Haftstrafen bei Gewalt gegen Frauen
Anfang dieses Jahres verabschiedete das Parlament einen Gesetzentwurf, der die Haftstrafen für Verbrechen, bei denen das Opfer eine Frau ist, erhöht und Stalking zu einem Verbrechen macht, das mit Gefängnis bestraft wird.
Auf einer Veranstaltung gelobte Erdogan, die Messlatte für die Verhinderung von Gewalt gegen Frauen "immer höher zu legen". "Wir können nicht zulassen, dass auch nur eine einzige Frau Opfer von Gewalt wird", sagte er.
Menschenrechtsgruppen sind jedoch der Meinung, dass die bestehenden Maßnahmen die Frauen nicht ausreichend schützen oder die Täter nicht zur Rechenschaft ziehen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "We Will Stop Femicide" wurden in diesem Jahr in der Türkei bisher mindestens 349 Frauen getötet.
Mit Informationen von Uwe Lueb, ARD-Studio Istanbul