Spanisches Parlament Regierungsbildung im ersten Versuch gescheitert
Spanien hat rund zwei Monate nach der vorgezogenen Wahl weiterhin keine neue Regierung. Der konservative Politiker Feijóo erhielt nicht die nötige Parlamentsmehrheit - es droht eine lange Hängepartie.
Die politische Ungewissheit in Spanien setzt sich gut zwei Monate nach der vorgezogenen Parlamentswahl fort. Der konservative Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo scheiterte wie erwartet mit einem ersten Versuch zur Bildung einer Regierung. Die Kandidatur des 62-Jährigen für das Amt des Ministerpräsidenten und die Nachfolge des seit Ende Juli nur noch geschäftsführend regierenden Sozialisten Pedro Sánchez wurde vom Unterhaus in Madrid mit 178 zu 172 Stimmen abgelehnt.
Countdown zu Neuwahlen eingeleitet
Mit der ersten abgeschmetterten Bewerbung wurde gemäß Verfassung der Countdown zu Neuwahlen eingeläutet. Der Druck wächst. Wenn innerhalb von zwei Monaten, bis zum 27. November also, kein Regierungschef gefunden wird, müssten die Spanier am 14. Januar erneut zu den Urnen. Es droht nicht nur eine innenpolitische Blockade. Damit würde auch die gesamte EU-Ratspräsidentschaft Spaniens bis zum 31. Dezember von der politischen Ungewissheit in der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone überschattet.
"Wertvolle Zeit geraubt"
Die Sozialisten und Vertreter anderer Parteien warfen Feijóo bei den Debatten vor, mit seiner als aussichtslos gewerteten Kandidatur Spanien in einer schwierigen Zeit mit Inflation sowie Krieg und Migrationskrise in Europa "wertvolle Zeit geraubt" zu haben. Feijóo hat am Freitag zwar eine neue Chance. Anders als bei der Abstimmung am Mittwoch, bei der er eine absolute Mehrheit von mindestens 176 Stimmen benötigt hätte, reicht dem Chef der konservativen Volkspartei PP dann eine einfache Mehrheit. Aber auch die ist für den Kandidaten nicht in Sicht.
Sánchez wird es wohl danach versuchen
Der staatliche TV-Sender RTVE hatte von einer "unmöglichen Kandidatur" gesprochen. Es wird erwartet, dass nach Feijóo der seit 2018 regierende Sánchez im Oktober oder November ebenfalls einen Versuch zur Regierungsbildung unternimmt.
Die PP hatte bei der Wahl am 23. Juli vor Sánchez' Sozialisten (PSOE) die meisten Stimmen und die meisten Sitze im "Congreso de los Diputados" bekommen. Da aber keine der beiden Parteien zunächst ausreichende Unterstützung anderer Gruppierungen zur Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit bekam, hatte König Felipe VI. beschlossen, dass der Wahlsieger sich als erster bewerben darf.
Große ideologische Unterschiede
Eine Koalition von PP und PSOE gilt als ausgeschlossen, da die beiden Traditionsparteien ideologisch viel weiter voneinander entfernt sind als etwa ihre deutschen Schwesterparteien CDU und SPD. Deshalb heißt es jetzt für Spanien wohl: Neuauflage Sánchez oder monatelange Blockade.
Dem Sozialisten werden zwar bessere Chancen als dem konservativen Rivalen eingeräumt. Außer den Stimmen des Linksbündnisses Sumar und kleinerer Regional-Parteien benötigt Sánchez aber auch Abkommen mit der linken ERC des katalanischen Regierungschefs Pere Aragonès sowie mit der Partei Junts des in Belgien im Exil lebenden Separatistenführers und spanischen Justizflüchtlings Carles Puigdemont.
Sowohl ERC als auch Junts streben die Unabhängigkeit Kataloniens an. Für ihre Unterstützung einer linken Regierung fordern sie unter anderem eine Amnestie für jene "Catalanistas", die an dem gescheiterten Abspaltungsversuch von 2017 teilgenommen hatten.