Truppenbesuch in Ostukraine Selenskyj in Saporischschja
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die Truppen an der Frontlinie nahe Saporischschja besucht. Die Lage in Sjewjerodonezk ist unklar: Britischen Berichten zufolge geht die ukrainische Armee zu einem Gegenangriff über.
Der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj hat den Truppen an der Frontlinie nahe der Stadt Saporischschja überraschend einen Besuch abgestattet. Das meldet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf das Büro Selenskyjs.
In einer Erklärung des Präsidenten heißt es, er wolle sich bei den Truppen für ihre großartige Arbeit und ihren Dienst bedanken, mit denen sie alle in der Ukraine und auch das Land selbst beschützten. Selenskyj habe vor Ort eine Schweigeminute abgehalten. Am späteren Sonntagabend veröffentlichte der Präsident zudem ein Video, dass ihn in den Städten Lyssytschansk und Soledar zeigt - nur wenige Kilometer südlich von Sjewjerodonezk. Sie zeigen Selenskyj bei Gesprächen mit Soldaten in bunkerähnlichen Gebäuden und bei der Verleihung von Auszeichnungen. "Ihr alle habt den Sieg verdient - das ist das Wichtigste. Aber nicht um jeden Preis", sagt Selenskyj in einem der Videos. Vor einer Woche hatte Selenskyj der ebenfalls umkämpften Region Charkiw im Nordosten des Landes bereits einen ähnlichen Besuch abgestattet.
Briten melden Gegenangriff in Sjewjerodonezk
In der seit Tagen schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk kommt die russische Offensive möglicherweise zum Stocken. Das britische Verteidigungsministerium meldet eine Gegenoffensive der ukrainischen Armee. Damit hätten sie vermutlich die operative Dynamik geschwächt, die die russischen Streitkräfte zuvor mit einer Konzentration ihrer Einheiten und Feuerkraft gewonnen hatten, hieß es aus London.
Die russischen Soldaten, die im Kampf um Sjewjerodonezk eingesetzt würden, seien unter anderem Reserven der selbst ernannten "Volksrepublik Luhansk", teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Diese Truppen seien schlecht ausgerüstet und trainiert, ihnen fehle im Vergleich zu regulären Einheiten schwere Ausrüstung. Auch der Gouverneur der Region Luhansk erklärte, es sei den ukrainischen Kräften gelungen, die russischen Kämpfer zurückzudrängen und die Kontrolle über etwa die Hälfte der Stadt zurückzugewinnen.
Widersprüchliche Angaben über Beschuss in Kiew
Aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurden heftige Bombardements gemeldet. Es sei der schwerste Beschuss seit Wochen gewesen, hieß es von ukrainischer Seite. Es sei militärische und zivile Infrastruktur getroffen worden, teilte die Militärführung in Kiew mit.
Die russische Seite behauptet, mehrere aus Osteuropa an die Ukraine gelieferte Panzer vom Typ T-72 und andere Militärtechnik zerstört zu haben, die in einem Werk für die Reparatur von Eisenbahnwaggons am Stadtrand von Kiew untergebracht worden seien. Dem widersprach Kiews Bahnchef. Zwar seien vier Raketen eingeschlagen, doch habe es dort keine Panzer gegeben. Die ukrainische Darstellung ähnelt den Eindrücken des ARD-Korrespondenten Robert Kempe, der sich vor Ort ein Bild machen konnte. Nach dessen Einschätzung sind dort keine Panzer, sondern Güterwaggons zerstört worden.
Klitschko berichtet von Explosionen
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete in seinem Telegram-Kanal von Explosionen. Es gebe nach bisherigem Stand einen Verletzten, der im Krankenhaus behandelt werde, aber keine Toten, sagte Klitschko. Betroffen waren danach die Stadtbezirke Darnyzja im Südosten und Dnipro im Westen der Millionenmetropole. Dabei seien auch Einrichtungen der Bahn getroffen worden, erklärte ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Auch der bereits mehrfach beschossene Vorort Browary wurde Behörden zufolge wieder getroffen.
In sozialen Netzwerken veröffentlichten Menschen Bilder und Videos von Bränden und Rauchwolken. Auch Geräusche von Einschlägen waren zu hören. Am Morgen hatte es langen Luftalarm gegeben. Es handelte sich um den schwersten Angriff auf die Hauptstadtregion seit Wochen.
Putin droht mit neuen Angriffen
Der russische Präsident Wladimir Putin drohte in einem Interview mit einem Angriff auf neue Ziele in der Ukraine, sollten die USA damit beginnen, der Ukraine Langstreckenraketen zu liefern. "Wenn sie liefern, dann werden wir daraus die entsprechenden Schlüsse ziehen und unsere Mittel der Vernichtung, von denen wir genug haben, einsetzen, um jenen Objekten Schläge zu versetzen, die wir bisher nicht angreifen», sagte Putin dem Staatsfernsehsender Rossija 1.
Ziel der westlichen Waffenlieferungen sei es, den Konflikt in der Ukraine möglichst in die Länge zu ziehen, meinte der Kremlchef. Mit Blick auf die von den USA angekündigte Lieferung hochmoderner Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars zeigte er sich hingegen gelassen: Schon jetzt hätten die ukrainischen Streitkräfte solche Systeme russischer Produktion im Einsatz, die US-Lieferungen würden vielmehr zerstörte Waffen ersetzen. Gleichwohl sei hier entscheidend, welche Raketen eingesetzt würden. Die russische Luftabwehr, sagte Putin, habe inzwischen den Großteil der Kampfdrohnen in der Ukraine zerstört.