Pushbacks in Griechenland Der Skandal am Fluss Evros
Wieder sollen Flüchtlinge auf europäischem Boden Opfer von Pushbacks geworden sein - obwohl die Liste der einstweiligen Verfügungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte immer länger wird.
Eigentlich würde Maria Papaminá jetzt am Strand liegen, stattdessen sitzt sie wieder in ihrem Athener Büro. Die Juristin - sie arbeitet für den Griechischen Flüchtlingsrat – hat ihren Urlaub abgebrochen, weil es einen Notfall gegeben hat, mal wieder.
Es geht um eine Gruppe von 50 Flüchtlingen, darunter zwölf Kinder und drei Schwangere, die es von der Türkei über den Fluss Evros nach Griechenland geschafft haben. Papaminá erzählt, dass sie von der griechischen Armee und der Polizei festgenommen wurden.
Es kam dann zu heftiger Gewalt gegen sie, ein Mann sei dabei sogar gestorben. Danach seien sie gezwungen worden in Boote zu steigen und den Fluss bis zu einer Insel zu überqueren. Sie berichten, dass dabei wieder zwei Menschen ertrunken seien, weil kein Platz mehr in den Booten gewesen sei und man ihnen befohlen habe zu schwimmen.
Das war am 14. Juli. Seitdem haben die Migranten unter anderem dem griechischen Flüchtlingsrat regelmäßig Fotos, Nachrichten und Standortdaten geschickt und so um Hilfe gebeten.
Denn auf der Insel gibt es keine Lebensmittel, keinen Unterschlupf und kein sauberes Trinkwasser. Vor allem die Kinder leiden unter der Hitze, einige bekommen Durchfall. Einer der Flüchtlinge sei außerdem Diabetiker und müsse dringend medizinisch versorgt werden, so Papaminá.
Wir haben alle informiert, es ist eine lange Liste, dazu gehört auch die Polizei und Frontex, außerdem die Staatsanwaltschaft des Obersten Gerichtshofs, das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Nationale Menschenrechtskommission.
EU-Gerichtshof schaltet sich ein
Außerdem haben sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet. Der hat daraufhin sofort verfügt: Die griechischen Behörden müssen Sofortmaßnahmen ergreifen, um die Menschen zu retten.
Wir machen das, weil sich die Behörden normalerweise weigern, die Flüchtlinge zu retten. Bis jetzt haben wir seit April 17 dieser einstweiligen Verfügungen erlangt, das sind sehr viele.
Militärische Sperrzone
Vielmehr können Hilfsorganisationen wie der griechische Flüchtlingsrat nicht tun, denn die Region am Fluss Evros ist wie eine Blackbox: Die griechische Regierung hat das gut 200 Kilometer lange Grenzgebiet zur militärischen Sperrzone erklärt. Das heißt, für Journalisten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen ist es quasi unmöglich sich dem Übergang auch nur zu nähern und sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen.
Außerdem haben die Behörden das Gebiet in den vergangenen Jahren zu einer regelrechten Hightech-Grenze hochgerüstet: Drohnen und Wärmebildkameras überwachen rund um die Uhr jede Bewegung auf der griechischen sowie auch auf der türkischen Seite.
Hilferufe werden ignoriert
Doch was die 50 Flüchtlinge auf der Insel im Fluss Evros angeht, scheinen sich die griechischen Behörden auch dieses Mal unwissend zu geben: Sie ignorieren sowohl die Hilferufe der Menschen und Nichtregierungsorganisationen als auch die Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Menschen waren zwölf Tage dort. Am 26. Juli haben sie uns informiert, dass am Abend griechische Kommandos gekommen sind und sie zurück in die Türkei gebracht hätten.
Damit sind die Menschen mutmaßlich Opfer eines sogenannten Pushbacks geworden. Das heißt, sie wurden zurück in die Türkei gebracht, ohne dass man ihnen vorher die Möglichkeit gegeben hat, um Asyl zu bitten. Das wäre ein Verstoß gegen internationales Recht.