Zugang zu Staatsgeheimnissen Richter flüchtet nach Belarus - Polen alarmiert
In Polen sorgt die Flucht eines Richters nach Belarus für Aufsehen. Als Grund gibt der Jurist an, er werde "verfolgt und eingeschüchtert". Polens Dienste sind alarmiert: Der Mann hatte Zugang zu Staatsgeheimnissen.
Tomasz Szmydt meldet sich erst, als er schon in Belarus ist. Dann aber öffentlich per Pressekonferenz. Der polnische Richter Szmydt lobt Alexander Lukaschenko als "weisen Führer". Er erklärt, er sei in Polen "verfolgt und eingeschüchtert" worden und beantragt politisches Asyl beim belarusischen Regime.
Geheime Informationen für Belarus?
In Polen sorgt Richter Szmydts "Flucht" für großes Aufsehen und für Ermittlungen der Geheimdienste. Denn der Richter, der unter der PiS Teil einer Hasskampagne gegen andere Richterinnen und Richter war, hatte qua Amt auch Zugang zu Geheimdokumenten über Polens Militär. Die Sorge ist also groß, dass mit Szmydt nicht nur ein bekannter Richter, sondern auch geheime Informationen in den Händen der belarusischen Dienste sind.
Irgendwas muss schiefgegangen sein. Das ist die Erkenntnis in den Tagen nach dem Auftritt von Szmydt im belarusischen Fernsehen. Szmydt ist polnischer Richter und stand - das berichten jetzt polnische Medien - offenbar schon länger unter Beobachtung des Inlandsgeheimdienstes und der Spionageabwehr. Eigentlich hätte er damit spätestens an der Grenze aufgehalten werden müssen, aber Szmydt ist weg - über die Türkei nach Belarus geflogen.
Dort erklärt er sich bei einer Pressekonferenz: "Mein Rücktritt als Richter ist auch ein Protest gegen die ungerechte und schädliche Politik der polnischen Behörden gegenüber der Republik Belarus und der Russischen Föderation (...), gegen Maßnahmen, die mein Land in einen direkten bewaffneten Konflikt mit Belarus und der Russischen Föderation ziehen."
Schmutzkampagne gegen PiS-kritische Richter
Der belarusische Diktator Lukaschenko sei ein "weiser Führer", bei dem er um politisches Asyl gebeten habe. Szmydt hatte mutmaßlich schon länger Kontakt zu belarusischen Diensten.
Strafverfolgung droht ihm aber noch aus ganz anderen Gründen. Als hochrangiger Mitarbeiter des Landesjustizrats, einem von der damaligen PiS-Regierung umbesetzten Gremium zur Richterberufung, hatte Szmydt 2019 eine Schmutzkampagne gegen PiS-kritische Richterinnen und Richter mitorchestriert.
In der sogenannten "Hateraffäre" ließ er über seine damalige Ehefrau unter falschem Namen in sozialen Netzwerken Verleumdungen und Hetze gegen seine Kolleginnen und Kollegen verbreiten. Das Ehepaar räumte die Kampagne später ein und trennte sich.
Szmydt wurde an ein Verwaltungsgericht versetzt. Seine Wut auf die politischen Gegner der PiS hat er offenbar mitgenommen. Deswegen sei er jetzt ein politischer Flüchtling: "Wenn ich zum berechtigten Interesse der polnischen, amerikanischen oder britischen Sicherheitsdienste werde, erledigen sie die Sache auf eine andere Weise. Das kann ein Autounfall oder Selbstmord sein. Für mich gibt es kein Zurück, wenn ich am Leben bleiben möchte."
Tusk: Grund zu größter Sorge
Und für Belarus und Russland kann er durchaus nützlich sein. Als Richter hatte Szmydt auch Zugang zu Verschlussdokumenten unter anderem über das polnische Militär.
Seine hohe Position unter der PiS-Regierung, seine Nähe zum Justizministerium und seine mutmaßliche Beziehung zu belarusischen Geheimdiensten sei Grund zu größter Sorge, sagt Premierminister Donald Tusk: "Das, was wir auch in anderen europäischen Ländern beobachten, also Versuche, die Rechtsordnung und Demokratie zu untergraben, durch Agenten und Provokationen, aber auch durch Aggression im digitalen Raum - das alles läuft immer synchronisierter ab und lässt keinen Raum für Illusionen, was das Ziel Moskaus und Minsks für die nächsten Monate angeht."
Gefahr für die nationale Sicherheit
Richter Szmydts Seitenweichsel ist aus Warschauer Sicht eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Und die polnische Regierung will die Regeln für Richter und Staatsanwälte verändern. In Zukunft sollen sie nicht mehr automatisch Zugang zu Staatsgeheimnissen haben.