Raketeneinschlag Polen geht nicht von Angriff aus
Die Angst vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs war groß, nachdem in Polen eine Rakete eingeschlagen ist. Die polnische Regierung, die NATO und US-Präsident Biden gehen nun davon aus, dass es sich um eine ukrainische Flugabwehrrakete handelt.
Nach Angaben von Polens Präsident Andrzej Duda war der Raketeneinschlag in Przewodow kein gezielter Angriff auf das NATO-Land. Die Rakete, die am Dienstag auf polnischem Gebiet einschlug, stammte demnach "höchstwahrscheinlich" von der ukrainischen Luftabwehr.
"Absolut nichts deutet darauf hin, dass dies ein absichtlicher Angriff auf Polen war", sagte Duda vor Journalisten. Nach bisherigen Erkenntnissen handele es sich um eine Flugabwehrrakete S-300 aus russischer Produktion, die in den 1970er-Jahren hergestellt wurde.
Zwei Menschen getötet
Bei dem Raketeneinschlag waren nach Feuerwehrangaben zwei Menschen in einem landwirtschaftlichen Betrieb in dem ostpolnischen Dorf getötet worden. In ersten Berichten hieß es, es handele sich um einen russischen Raketeneinschlag. Die NATO konnte das nicht bestätigen.
Es sei wahrscheinlich, dass eine ukrainische Luftabwehrrakete versehentlich in Polen eingeschlagen sei, sagte auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es sei aber nicht die Schuld der Ukraine. Russland müsse diesen "sinnlosen Krieg" beenden, so Stoltenberg.
Russland weist Verantwortung von sich
Russland hatte die Verantwortung für den Raketeneinschlag zuvor von sich gewiesen. "Wir haben eine weitere hysterische, wahnsinnige russophobe Reaktion erlebt, die nicht auf echten Fakten beruht", sagt der Sprecher des Präsidialamts, Dmitri Peskow.
"Die am Abend des 15. November in Polen veröffentlichten Fotos der im Dorf Przewodow gefundenen Trümmer werden von Spezialisten der russischen Rüstungsindustrie eindeutig als Elemente einer Flugabwehrlenkwaffe des Luftverteidigungssystems S-300 der ukrainischen Luftwaffe identifiziert", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Eine unabhängige Prüfung der Bilder ist nicht möglich.
Ukraine macht Russland verantwortlich
US-Präsident Joe Biden hatte bereits zuvor darüber informiert, dass die Explosion wahrscheinlich durch eine fehlgeleitete ukrainische Luftabwehrrakete ausgelöst wurde. Nach bisherigen Informationen und angesichts der Flugbahn sei es unwahrscheinlich, dass die Rakete in Russland abgefeuert wurde, erklärte Biden am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Insel Bali.
Die Ukraine machte Russland dennoch für den Vorfall verantwortlich. Der Krieg werde von Russland geführt, erklärte Präsidentenberater Mychailo Podoljak in einer schriftlichen Stellungnahme. "Russland hat den östlichen Teil des europäischen Kontinents in ein unberechenbares Schlachtfeld verwandelt. Absicht, Mittel der Ausführung, Risiken, Eskalation - all das ist nur Russland. Und anders sind Zwischenfälle mit Raketen nicht zu erklären", so Pdoljak.
Bundesregierung bietet Luftraumüberwachung an
"Jede voreilige Festlegung über den Tatsachenverlauf vor seiner sorgfältigen Untersuchung verbietet sich bei einer so ernsten Angelegenheit", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem G20-Gipfel. Die Nachrichtendienste hätten sich ausgetauscht und die USA unterstützten die polnischen Ermittler. Die Ursache dürfe man aber nicht aus dem Blick verlieren - der Einschlag wäre nicht passiert "ohne den russischen Krieg gegen die Ukraine, ohne die Raketen, die jetzt intensiv und in großem Ausmaß auf die ukrainische Infrastruktur verschossen werden".
Die Bundesregierung hat Polen nach dem Raketeneinschlag an der Grenze zur Ukraine Luftraumüberwachung angeboten. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin sagte, man stehe in Austausch mit der polnischen Regierung über ein verstärktes sogenanntes Airpolicing.
Gemeinsam mit der Ukraine und den NATO-Partnern werde man prüfen, welche Auswirkungen der Vorfall für die weitere militärische Ausrüstung der Ukraine habe, sagte ein Regierungssprecher. Außerdem solle ein Gespräch darüber stattfinden, ob die Ukraine nach den heftigen russischen Raketenangriffen auf die Infrastruktur weitere deutsche Hilfen bekomme, so der Sprecher.